Bundespräsident Joachim Gauck "Jetzt soll zusammenwachsen, was nicht zusammengehörte"

Frankfurt · Die Integration von Flüchtlingen wird Deutschland nach Ansicht von Bundespräsident Joachim Gauck vor größere Aufgaben als die deutsche Einheit stellen. Gauck stellte dabei klar, dass unsere Werte dabei nicht zur Disposition stehen. Zudem äußerte er Verständnis für das Verhalten von osteuropäischen Ländern wie etwa Ungarn.

 Bundespräsident Joachim Gauck bei seiner Rede in Frankfurt.

Bundespräsident Joachim Gauck bei seiner Rede in Frankfurt.

Foto: ap

Auch die Vereinigung von Ost- und Westdeutschland beschäftige Generationen. "Doch anders als damals soll nun zusammenwachsen, was bisher nicht zusammengehörte", sagte Gauck am Samstag beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in Frankfurt. Es müssten viel größere Distanzen überwunden werden als zwischen Ost- und Westdeutschen, die eine Sprache und eine gemeinsame Kultur und Geschichte gehabt hätten. Deswegen forderte Gauck Geduld und betonte, dass nur die in Deutschland geltenden Werte Basis für eine Integration sein könnten.

"Es braucht Zeit, bis alte und neue Bürger Verantwortung in einem Staat übernehmen, den alle gemeinsam als ihren Staat empfinden." Ausdrücklich forderte er auch eine Integrationsleistung der Flüchtlinge. "Unsere Werte stehen nicht zur Disposition. (...) Toleranz für Intoleranz wird es bei uns nicht geben", sagte er und verurteilte Antisemitismus und eine Diskriminierung von Frauen oder Homosexuellen.

"In einer offenen Gesellschaft kommt es nicht darauf an, ob diese Gesellschaft ethnisch homogen ist, sondern ob sie eine gemeinsame Wertegrundlage hat." Am vergangenen Sonntag hatte der Bundespräsident von Grenzen der Aufnahmefähigkeit gesprochen und damit eine große Debatte ausgelöst.

Gauck wirbt um Verständnis in Ungarn

Gauck warb zudem für Verständnis, dass die Flüchtlingsdebatte in Osteuropa und auch in Ostdeutschland anders geführt wird. Im Westen hätten die Menschen viel mehr Zeit gehabt hätten, sich an Einwanderer zu gewöhnen. Dies sei in der DDR anders gewesen. "Viele von ihnen hatten bis 1990 kaum Berührung mit Zuwanderern." Es gebe einen langen und konfliktreichen Lernprozess.

"Diese Einsicht sollte uns den Respekt vor den Erfahrungen anderer Nationen erleichtern", fügte Gauck mit Blick auf die osteuropäischen EU-Staaten hinzu, die eine verbindliche Quote zur Flüchtlingsverteilung ablehnen. Es gebe zudem keine nationale Lösung der Flüchtlingskrise. "Wir werden den Zustrom von Flüchtlingen nicht verringern können - es sein denn, wir erhöhen unsere gemeinsamen Anstrengungen zur Unterstützung von Flüchtlingen in den Krisenregionen sowie vor allem zur Bekämpfung der Fluchtursachen", sagte Gauck.

Die heutige Offenheit lasse sich zudem nur erhalten, wenn die europäischen Außengrenzen besser gesichert würden. Ähnlich hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag argumentiert und damit den Vorwurf etwa der CSU zurückgewiesen, sie lade Flüchtlinge nach Deutschland ein.

(REU)
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