SPD setzt Parteiausschlussverfahren in Gang Bundesbank distanziert sich von Sarrazin

Berlin (RPO). Nachdem die SPD Thilo Sarrazin aus der Partei ausschließen will, distanziert sich nun auch die Bundesbank von ihrem Vorstandsmitglied Sarrazin. Allerdings verzichtet die Bundesbank vorerst auf einen Antrag auf Entlassung Sarrazins, teilte die Bundesbank nach einer außerordentlichen Sitzung des Gremiums am Montagnachmittag in Frankfurt mit. Der Bundesvorstand der SPD hatte am Montag einstimmig beschlossen, ein Ausschlussverfahren gegen den früheren Berliner Finanzsenator in Gang zu setzen.

Sarrazin bei der Buchvorstellung "Deutschland schafft sich ab"
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Die Bundesbank verzichtet vorerst auf einen Antrag auf Entlassung ihres Vorstandsmitglieds Thilo Sarrazin. Sie erklärte am Montagnachmittag, sie distanziere sich "entschieden von den diskriminierenden Äußerungen" Sarrazins. Er habe sich mehrfach und nachhaltig provokant geäußert, insbesondere zu Themen der Migration. Sarrazin gebe darin nicht die Ansichten der Deutschen Bundesbank wieder.

Der Bundesbankvorstand werde nun "unverzüglich" ein Gespräch mit Sarrazin führen, ihn anhören und "zeitnah" über weitere Schritte entscheiden, teilte die Bundesbank mit. Sarrazins abwertenden Äußerungen seien geeignet, den Betriebsfrieden erheblich zu beeinträchtigen.

SPD will Parteiausschluss

"Für uns ist das keine einfache Entscheidung gewesen", betonte Gabriel. Sarrazin habe viel für die SPD geleistet, nun aber eine "rote Linie" überschritten. Sarrazin habe die genetische Disposition bestimmter Bevölkerungsgruppen mit deren Intelligenz und Bildungsbereitschaft verknüpft. Dies sei "hoch problematisch", Sarrazins Argumentation sei an der Stelle "rassistisch". Sarrazin habe damit das "Ende der Diskussionsbereitschaft in der SPD" erreicht und gezeigt, "dass er auf einem völlig falschen Weg ist".

Am Vormittag hatte Sarrazin sein Buch "Deutschland schafft sich ab" vorgestellt. Der frühere Berliner Finanzsenator hatte mit Aussagen über die Integrationsfähigkeit von Muslimen und Gene von Juden für Empörung gesorgt. Das provokative Werk ist Auslöser der jüngsten Debatte.

Am Vormittag stellte Sarrazin sein Buch "Deutschland schafft sich ab" vor. Der frühere Berliner Finanzsenator hatte mit Aussagen über die Integrationsfähigkeit von Muslimen und Gene von Juden Proteste auf sich gezogen. Am Nachmittag wollte sich die Bundesbank zum Thema Sarrazin äußern.

Buchvorstellung unter Polizeischutz

Begleitet von einem großen Polizeiaufgebot haben etwa 70 Menschen am Montag in Berlin gegen die Buchpräsentation von Sarrazin protestiert. Initiiert wurde der Protest, der auf großes Interesse in- und ausländischer Medien stieß, von dem Bündnis "Rechtspopulismus stoppen!".

Kritiker werfen dem ehemaligen Berliner Finanzsenator vor, Zuwanderer pauschal zu diskriminieren und damit nicht zur Lösung von Integrationsproblemen beizutragen.

"Kein Podium für Rassisten und Nazis!"

Die Veranstaltung vor dem Gebäude der Bundespressekonferenz, wo Sarrazin sein umstrittenes Buch am Vormittag offiziell präsentierte, stand unter dem Motto "Kein Podium für geistige Brandstifter". Sie wurde von Politikern der SPD, der Grünen, der Linken sowie Gewerkschaftsvertretern unterstützt. Auf einem Transparent war zu lesen "Kein Podium für Rassisten und Nazis! Null Prozent bei den Wahlen Berlin 2011". Kritisiert wurde auch ein "Bündnis von Mob und Elite".

Zu den Demonstranten gehörten Vertreter der sogenannten DeuKischen Generation, eines 2007 von Jugendlichen mit türkischen Wurzeln gegründeten Vereins. Sie protestierten mit Losungen wie "Nicht handeln macht Rassismus salonfähig" oder "Mehr Investition in Bildung statt in Propaganda".

"Intellektueller Rassismus"

Sarrazin steht mit seinen Thesen zur Integration von Muslimen seit Tagen stark in der Kritik. Mit Äußerungen über Juden fachte er die Debatte am Wochenende zusätzlich an. Der Chef der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, warf Sarrazin bei der Protestveranstaltung "intellektuellen Rassismus" vor. Es sei höchste Zeit, dass er als Bundesbank-Vorstand abgesetzt werde.

Kolat geht zudem davon aus, dass Sarrazin nicht in der SPD bleiben wird. Auch die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert sprach die Hoffnung aus, dass er aus der Partei geworfen werde. Sie fühle sich durch dessen "parteischädigende Thesen" persönlich verletzt.

"Gallionsfigur von Rechtspopulisten"

Sarrazin stehe für ein Deutschland, das nicht ihres sei. Sie möchte ein Land der Vielfalt und der Toleranz. Sarrazin werde hingegen zur "Gallionsfigur von Rechtspopulisten". Die Berliner SPD prüft derzeit ein neues Ausschlussverfahren gegen Sarrazin. Ein erster Anlauf wegen früherer Äußerungen war im Frühjahr gescheitert.

Der ehemalige Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, sagte, Sarrazin habe Millionen von Muslimen und Türken "beleidigt". Das demotiviere Menschen, die miteinander leben wollen und müssen. Zwar müssten Ängste aufgegriffen und Probleme "tabulos" diskutiert werden, aber dabei gehe es um den Ton, betonte Friedman. Sarrazin hetze hingegen Menschen aufeinander.

Im Tagungszentrum des Hauses stellte Sarrazin am Vormittag sein umstrittenes Buch "Deutschland schafft sich ab" vor, das im DVA Verlag München erschienen ist. Darin wirft er muslimischen Migranten vor, sich nicht in die Gesellschaft integrieren zu wollen und mehr Kosten zu verursachen, als Nutzen zu bringen.

(DDP/jre/bs/rtr/afp)
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