Bürgerfest zur deutschen Einheit Merkel fordert Bürger auf, gegen Rechte aufzustehen

Dresden · Während Bundeskanzlerin Angela Merkel zum 26. Jahrestag der deutschen Einheit dazu aufgerufen hat, sich gegen Rechtspopulisten zu stellen, haben in Dresden mit einem Bürgerfest die Feierlichkeiten begonnen. Eine dreiviertel Million Besucher werden bis Montag erwartet. Es gilt die höchste Sicherheitsstufe für die Polizei.

Dresden feiert Bürgerfest zur Deutschen Einheit
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Angesichts der zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft mahnte Bundesratspräsident Stanislaw Tillich (CDU) weitere Anstrengungen zur Vollendung der inneren Einheit an. Dass die Menschen in Ost und West über 40 Jahre in unterschiedlichen Systemen gelebt hätten, sei heute so stark zu spüren wie seit 1990 nicht mehr, sagte der sächsische Ministerpräsident der Deutschen Presse-Agentur.

"Wir feiern etwas, das in der Geschichte keine Selbstverständlichkeit ist: Eine friedliche Revolution, die in der Wiedervereinigung einer Nation endete", meinte Tillich. Dies sei zugleich Mahnung, "weiter an der inneren Einheit zu arbeiten".

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) betonte, dass seine Stadt mit ihrem historischen Zentrum nicht nur Bühne für einen Blick in die Geschichte bieten wolle. "Auch Gegenwart und Zukunft unserer Region werden in diesen Tagen deutlich", sagte er bei der Eröffnung des Bürgerfestes.

Derweil hat die Bundeskanzlerin zum 26. Jahrestag der deutschen Einheit dazu aufgerufen, den zentralen Freiheitsruf der DDR-Bürgerrechtsbewegung gegen Rechtspopulisten zu verteidigen. Man müsse dagegen auftreten, wenn Menschen mit rechtem Hintergrund "Wir sind das Volk" riefen, sagte Merkel am Samstag in einer Videobotschaft. Dieser Ruf sei während der friedlichen Revolution in der DDR "ein sehr emanzipatorischer" gewesen.

"Heute haben wir eine andere Situation: Wir haben heute eine Ordnung, in der jeder das Recht hat, frei seine Meinung zu sagen, zu demonstrieren. Und deshalb muss man sagen: Alle sind das Volk", betonte Merkel. Heute werde der Ruf von Menschen verwendet, die glaubten, zu kurz gekommen zu sein, aber auch von solchen mit rechtem Hintergrund - "was ich natürlich nicht richtig finde und wogegen wir auch auftreten müssen".

Merkel lobte ausdrücklich den Umgang von Regierung und Gesellschaft in Sachsen mit solchen Strömungen. Sie hätten sehr gut reagiert, indem sie gesagt hätten: "Wer glaubt, dass er Probleme hat, die durch die Gesellschaft oder durch die Politik nicht wahrgenommen werden, der soll sich äußern, konstruktive Lösungsvorschläge machen", sagte die Kanzlerin. "Das ist gelebte Demokratie."

Unterdessen warnte der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) vor einer Rechtfertigung des Rechtsextremismus in Ostdeutschland. Erklärungsversuche könnten leicht "wie Verständnis" klingen, und "das darf auf keinen Fall sein", sagte Thierse am Samstag im Deutschlandfunk. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) warnte vor einem Generalverdacht gegen "ganz Ostdeutschland". Unterdessen begannen die Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit in Dresden ohne Zwischenfälle.

Thierse betonte, es gebe "keinerlei Argument, auch keinerlei Hinweis auf wirtschaftliche und soziale Probleme, die irgendwie Gewalt rechtfertigen, egal ob in Ost oder West." Bezogen auf die Bevölkerungszahl sei "rechtsextremistische Gewalt in Ostdeutschland etwa vier- bis fünfmal so hoch wie im Westen". Das sollten alle zur Kenntnis nehmen, "die das wieder relativieren wollen".

Zuvor hatte die Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), mit der Einschätzung für Aufsehen gesorgt, zunehmende Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland sei eine "ernste Bedrohung" für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern. Mehrere ostdeutsche Ministerpräsidenten kritisierten die Darstellung und betonten, Fremdenfeindlichkeit sei nicht allein ein Problem der neuen Bundesländer.

Bundesjustizminister Maas sagte dem "Handelsblatt" laut einer Meldung vom Samstag, es solle "nicht ganz Ostdeutschland unter den Generalverdacht der Fremndenfeindlichkeit" gestellt werden. Zwar gebe es insbesondere in den neuen Länder "deutlichere Strukturen im rechtsextremen Milieu", was sich durch zunehmende Gewalttaten und Einschüchterungsversuche gegen Andersdenkende zeige. Das alles gebe es jedoch auch im Westen.

Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) äußerte sich ähnlich. Es hätten bereits in ganz Deutschland Häuser gebrannt, in denen Flüchtlinge untergebracht waren, sagte er im Radiosender NDR Info. "Es bekommt in Ostdeutschland nur eine besonders hässliche Seite, wenn tatsächlich gar keine ausländischen Menschen in der Bevölkerung sichtbar sind."

Dresden feiert - 200 Veranstaltungen in drei Tagen

Aufgrund der Präsidentschaft Sachsens im Bundesrat findet das Fest zum Tag der deutschen Einheit in diesem Jahr in Dresden statt. Bis zum Montag sind rund 200 Veranstaltungen geplant. Die Bundesländer präsentieren sich auf einer Ländermeile. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat bieten in großen Zelten Information. Zudem soll ein buntes Kultur- und Showprogramm an allen drei Tagen jeweils 250.000 Besucher in die Altstadt locken. Am Montag werden Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum zentralen Festakt in Dresden erwartet.

Nach zwei Sprengstoffanschlägen Anfang der Woche und dem Fund einer Bombenattrappe am Donnerstag finden die Feierlichkeiten unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt. 2600 Beamte sind in Uniform oder zivil in der Stadt unterwegs. "Die Dresdner Polizei und ihre Unterstützungskräfte werden alles dafür tun, damit wir ein sicheres und friedliches Fest begehen können", erklärte Dresdens Polizeichef Horst Kretzschmar. Zwar gebe es Informationen, dass "Unbelehrbare" versuchen würden, die Feierlichkeiten zu stören. "Wir sind darauf vorbereitet", so Kretzschmar.

(felt/dpa/AFP)
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