Bremens Bürgermeister zieht Konsequenzen Jens Böhrnsen verzichtet auf sein Amt

Bremen · Paukenschlag in der Hansestadt: Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen zieht Konsequenzen aus den Verlusten seiner SPD bei der Landtagswahl und tritt nicht wieder als Regierungschef an.

 Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen wirft nach den Wahlverlusten der SPD die Brocken hin.

Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen wirft nach den Wahlverlusten der SPD die Brocken hin.

Foto: dpa, iwa hpl

"Als Spitzenkandidat der SPD übernehme ich selbstverständlich Verantwortung für das enttäuschende Wahlergebnis für meine Partei am 10. Mai 2015", teilte er in einer Erklärung am Montag mit. Er wolle den Weg für eine personelle und inhaltliche Neuaufstellung seiner Partei frei machen.

Böhrnsen regiert im Stadtstaat seit 2005 und ist damit dienstältester Ministerpräsident in Deutschland. Die SPD fuhr nach einer amtlichen Hochrechnung bei der Wahl am Sonntag mit 32,9 Prozent der Stimmen ihr schlechtestes Ergebnis seit 1946 ein. Auch die Grünen - seit 2008 Koalitionspartner der SPD - erlitten Verluste. Rot-Grün könnte dennoch mit knapper Mehrheit weiterregieren.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner hat eine Aufarbeitung der geringen Wahlbeteiligung in Bremen gefordert. "Ich bedaure den überraschenden Rücktritt von Jens Böhrnsen sehr", sagte Stegner unserer Redaktion. Böhrnsen habe damit Verantwortung übernommen, auch für die schlechte Wahlbeteiligung in Bremen. "Deswegen dürfen wir jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen", sagte Stegner. "Wir müssen uns noch stärker als bisher mit der Frage beschäftigen, woher diese Verdrossenheit und Gleichgültigkeit vieler Menschen kommt." Böhrnsens Rücktritt trage "eine hanseatische Handschrift", so der Parteivize. "Er hat Bremen ein Jahrzehnt gut regiert und positiv dazu beigetragen, dass Rot-Grün in Bremen die Mehrheit bekommen hat."

Die Landesvorsitzenden beider Parteien ließen am Tag nach der Bürgerschaftswahl die Zukunft ihrer Koalition offen. Dieter Reinken (SPD) und Ralph Saxe (Grüne) sagten, sie wollten zunächst das endgültige Ergebnis abwarten und die Situation dann bewerten. "Zu Koalitionen werde ich heute keine Aussage machen", sagte Reinken. "Ich halte realistischerweise zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur eine Fortsetzung der rot-grünen Regierung für möglich oder eine große Koalition."

Beide Parteien waren ohne formelle Koalitionsaussage in den Wahlkampf gegangen, hatten aber keinen Zweifel daran gelassen, die gemeinsame Regierungsarbeit fortsetzen zu wollen. In der letzten Wahlperiode verfügten sie über eine komfortable Zwei-Drittel-Mehrheit, diese schrumpfte nun nach der Hochrechnung auf drei Mandate zusammen.

Saxe sagte, es könne kein "Weiter so" geben. Sollte es zur Fortsetzung der Koalition kommen, "dann muss es auch ein deutliches Signal geben von uns, dass wir die Botschaft gehört haben und dass wir uns verändern wollen".

Bundeskanzlerin Angela Merkel gab SPD und Grünen in Bremen die Hauptschuld an der historisch niedrigen Wahlbeteiligung von nur rund 50 Prozent. Es sehe ganz danach aus, als seien sehr viele Wähler beider Parteien aus Enttäuschung zu Hause geblieben, sagte die CDU-Chefin am Montag in Berlin. Das Plus der CDU und der Wiedereinzug der FDP zeigten, "dass das bürgerliche Lager gestärkt aus dieser Landtagswahl hervorgeht".

Die CDU hatte von den massiven Verlusten von SPD und Grünen in Bremen nur geringfügig profitieren können, ist aber wieder zweitstärkste Partei. Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann erneuerte am Montag ihr schon im Wahlkampf unterbreitetes Angebot einer Koalition mit der SPD: "Unser Angebot steht, das stand am Anfang des Wahlkampfs, das steht heute. Und nun warten wir mal ab, was passiert."

Laut amtlicher Hochrechnung erzielte die SPD 32,9 Prozent der Stimmen (-5,7 Prozentpunkte). Die Grünen bekommen 15,3 Prozent (-7,2), die CDU 22,6 Prozent (+2,2) und die Linke 9,2 Prozent (+3,6). Die FDP erreicht demnach 6,5 Prozent (+4,1) und die AfD 5,5 Prozent.

Daraus ergibt sich eine Sitzverteilung von 30 Sitzen für die SPD, 14 für die Grünen, 20 für die CDU, 8 für die Linke, 6 für die FDP, 4 für die AfD und 1 Sitz für die "Bürger in Wut". Das vorläufige Endergebnis wird erst für Mittwoch erwartet.

CDU erneuert Koalitionsangebot

Nach Böhrnsens Amtsverzicht hat CDU-Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann ihr Angebot aus dem Wahlkampf erneuert, eine große Koalition einzugehen und die Grünen als SPD-Regierungspartner abzulösen. "Unser Angebot steht, das stand am Anfang des Wahlkampfs, das steht heute. Und nun warten wir mal ab, was passiert", sagte Motschmann am Montag in Berlin.

Sie zeigte Verständnis für die Entscheidung Böhrnsens, der damit Konsequenzen aus den Verlusten der SPD bei der Bürgerschaftswahl zieht. "Seine Enttäuschung war sehr groß, die Enttäuschung der SPD auch. So habe ich diese Partei noch nie erlebt", sagte Motschmann. Die Bremer CDU respektiere Böhrnsens Entscheidung und werde die Selbstfindungsphase der SPD nun genau beobachten.

(dpa)
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