Der lange Schatten des Herrn Sarrazin Böhmer ruft "Jahr der Integration" aus

Berlin (RPO). Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, hat das Jahr 2011 zum Jahr der Integration erklärt. Dieses Jahr solle "ein wirkliches Jahr der Integration für Deutschland" werden, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag in Berlin und kündigte die Schaffung eines 32-köpfigen Bundesbeirates an.

 Maria Böhmer ist die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung.

Maria Böhmer ist die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung.

Foto: AP, AP

Während die Union und der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) das Projekt begrüßten, sprach die Opposition von einer Alibiveranstaltung.

Schwerpunkte des Beirates sollen Bildung, Arbeitsmarkt und Lage der Frauen sein. Zudem solle sich das Gremium der Frage stellen, welche Zuwanderung Deutschland brauche, sagte Böhmer. Der Beirat wird nach ihren Worten Vertreter von zehn Migrantenorganisationen sowie einzelne Personen aus Zuwandererfamilien umfassen.

Ferner sollen kommunale Spitzenverbände, verschiedene Organisationen, Kirchen und weitere Religionsgemeinschaften sowie Experten aus Wissenschaft und Forschung einbezogen werden.

SPD beklagt Eigenwerbung ohne Inhalt

Die Opposition reagierte mit Kritik und Häme auf die Ankündigung. Statt "plakative Werbeüberschriften" zu erfinden, sollte sich die Bundesregierung n "dringend um die wirklichen Integrationsfragen kümmern", forderte der SPD-Vize, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Dazu gehöre ein Anerkennungsgesetz, mit dem die Arbeit der 500.000 Akademiker mit ausländischen Abschlüssen erleichtert würde.

Ferner gehe es um ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht, das die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglicht, eine ausreichende Finanzierung von Integrationskursen sowie die Einführung eines kommunalen Wahlrechts.

Die Grünen zeigten sich ebenfalls wenig beeindruckt. Auch mit einem solchen Bundesbeirat bleibe die "Beratungsresistenz der Union", sagte Memet Kilic, integrationspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Der Bundesrepublik fehlten nicht die beratenden Organisationen oder Sachkenntnisse zu diesen Themen, sondern die Einsicht der Unions-Parteien CDU und CSU.

Union lobt gelungene Integrationsarbeit

Die Union wies die Vorhaltungen zurück. Mit der Errichtung des Beirats, der Entwicklung eines Nationalen Aktionsplans für Integration, den Integrationsvereinbarungen sowie dem Gesetzesvorhaben zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse setze die Bundesregierung maßgebliche Teile des Koalitionsvertrags um und stelle so "die Weichen für eine sachliche und lösungsorientierte Integrationsdebatte", sagte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Integration der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stefan Müller.

Zuvor hatte Böhmer betont, ein wichtiges Ziel aller Anstrengungen sei es, dass bis 2020 ein Jugendlicher aus einer Zuwandererfamilie die gleichen Chancen habe wie ein Jugendlicher aus einer deutschen Familie. Der Bildungserfolg solle nicht länger von der ethnischen und sozialen Herkunft abhängig sein.

Langer Schatten von Sarrazin

Mit dem Beitrat will Böhmer auch verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen. Denn innerhalb eines Jahres sei der Anteil jener Migranten, die ein ungestörtes Zusammenleben von Deutschen und Ausländern sehen, von 21,7 Prozent auf nur noch 9,1 Prozent gefallen.

"Das stimmt mich sehr besorgt", sagte die Staatsministerin. Schuld an diesem Absturz sei auch Ex-Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin (SPD), der mit seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" ein "Zerrbild" der Integration gezeichnet habe.

Mit Blick auf den wachsenden Anteil von Kindern aus Zuwandererfamilien kündigte die Staatsministerin an, der neue Beirat werde auch einen Beitrag zur Identitätsdebatte leisten. Denn humanitäre Zuwanderung und Familiennachzug sei sicher richtig und wichtig. Doch reiche dieses Bekenntnis allein nicht aus. "Von Anfang an - wenn es um Zuwanderung geht - muss Integration mitgedacht werden."

(apd)
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