Spionage-Affäre De Maizière kämpft um seinen Ruf

Berlin · Thomas de Maizière muss als ehemaliger Kanzleramtschef die NSA-Wirtschaftsspionage erläutern. Als Innenminister soll er das Parlament belogen haben, sagt die Opposition - und fordert seinen Rücktritt. Der 61-Jährige bestreitet die Vorwürfe.

 Innenminister Thomas de Maizière (CDU) gerät in der BND-Affäre unter Druck.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) gerät in der BND-Affäre unter Druck.

Foto: dpa, jw pt

Gewöhnlich schmeichelt es Spitzenpolitikern, an allen Fronten gefragt zu sein. Bei Thomas de Maizière (CDU) schlägt das derzeit ins Gegenteil um: Gerade hatte der Innenminister noch mit Nachdruck erklärt, warum es richtig war, die Flüchtlingsrettungsmission im Mittelmeer herunterzufahren, da korrigiert die Bundesregierung nach dem Tod Hunderter Flüchtlinge nun seinen Kurs. Auch mit der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken zur US-Wirtschaftsspionage lag de Maizière offenkundig kräftig daneben. Gleich drei Gremien wollen ihn nun als Zeugen vernehmen; die Linken verlangen bereits seinen Rücktritt.

Nähme man die Verdächtigungen für bare Münze, dann hätte de Maizière in seiner Zeit als Kanzleramtsminister erste Hinweise auf massenhafte Ausspähversuche des amerikanischen Geheimdienstes NSA mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Jahr 2008 auf die leichte Schulter genommen. Noch dazu hätte er 2012 als Verteidigungsminister erste Hinweise auf mangelhafte Treffsicherheit des Sturmgewehrs G 36 nicht weiter verfolgt. Und er hätte als Innenminister zuletzt in diesem Monat auf Anfrage der Linken gelogen, wie die Opposition kritisiert. Auch die französische Regierung und die EU-Kommission sollen von den Amerikanern beobachtet worden sein, wie "SZ", NDR und WDR gestern berichteten.

Es gebe "keine Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage durch die NSA", versicherte de Maizière noch Mitte April. Genau das sieht aus Sicht von Linken und Grünen nach den jüngsten Enthüllungen völlig anders aus. Zum einen habe dem Kanzleramt nach dessen eigenem Bekunden Mitte April bereits seit "mehreren Wochen" die Information vorgelegen, wonach der BND bei internen Nachprüfungen weitere 40 000 "Selektoren" auflistete - also Rufnummern und Internetadressen, über die sich die NSA abgefangene Informationen vom BND wünschte, obwohl das gegen deutsche oder europäische Interessen verstoße. Zum anderen seien erste Hinweise auf die vertragswidrige Praxis der Amerikaner 2008 de Maizière selbst vorgelegt worden.

"Dass das Parlament belogen wurde, muss Konsequenzen haben", meint Linken-Fraktionsvize Jan Korte in Richtung Bundestagspräsident Norbert Lammert, schließlich sei die parlamentarische Demokratie im Kern getroffen. Kortes Kollegin Sahra Wagenknecht hält de Maizière im Amt des Innenministers für "nicht mehr haltbar".

De Maizière reagiert darauf mit einem knallharten Dementi. "Es sind Unterstellungen, sie sind nicht wahr, und das ergibt sich auch aus den Unterlagen selbst", sagte er in Berlin. Für ihn ist die Debatte um ihn und andere Regierungsmitglieder in eine Schieflage geraten, denn die Unterlagen, um die es hier gehe, seien als "geheim" oder sogar als "streng geheim" eingestuft worden. Deswegen habe er sich auch zu den "unwahren Unterstellungen" öffentlich nicht äußern können, obwohl es auch in seinem Interesse liege, die Dinge klarzustellen.

"Je schneller, desto besser" will der 61-Jährige sich nun den geheim tagenden Gremien zur Verfügung stellen. Das Parlamentarische Kontrollgremium will nächsten Mittwoch zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Auch der NSA-Untersuchungsausschuss plant ein Treffen für nächsten Freitag. Auch die Verteidigungspolitiker wollen de Maizière möglichst bald in den Fachausschuss einladen und ihn genauso wie seine Amtsnachfolgerin Ursula von der Leyen (CDU) nach seinem Wissensstand zu Problemen bei den G 36-Gewehren befragen.

Regierungssprecher Steffen Seibert versuchte de Maizière gestern ein Stück aus der Schusslinie zu nehmen: Auch das Kanzleramt sei an der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage beteiligt gewesen, sagte er. Jeden Vorwurf der Falschinformation wies Seibert zurück.

Unionsinnenexperte Stephan Meyer hält es für "nicht sachlich und reell, die gesamte Verantwortung bei Thomas de Maizière abzuladen". Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer verwies auf die öffentlich bekundete Auskunft-Bereitschaft des Bundesinnenministers. Dass die Linke nun vor der notwendigen Aufklärung den Rücktritt des CDU-Politikers fordere, sei mehr als verwunderlich: "Offenbar geht es der Linken nur um parteitaktische Interessen und nicht um die Sachaufklärung."

(may-)
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