Fragen und Antworten Grenzen für den Lauschangriff

Berlin · Das Bundesverfassungsgericht macht dem Gesetzgeber detaillierte Vorschriften, was das Bundeskriminalamt darf. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

BKA-Gesetz: Grenzen für den Lauschangriff
Foto: dpa, RP

Für die Terrorabwehr hat der Gesetzgeber dem Bundeskriminalamt (BKA) weitreichende Befugnisse eingeräumt. 2009 ging die Kompetenz von den Ländern auf das BKA über. Seitdem können die Ermittler Wohnungen von Terror-Verdächtigen überwachen und Computer ausspähen. Zu weitreichend - befand gestern das Bundesverfassungsgericht und brummte dem Gesetzgeber detaillierte Vorschriften auf, die Regeln enger zu fassen.

Wird die Arbeit der Ermittler zur Terrorabwehr durch die Vorgaben eingeschränkt?

Die Ermittler des Bundeskriminalamts können auch weiterhin Personen sowie deren Wohnungen und Computer überwachen, von denen keine konkrete Terrorgefahr ausgeht, die aber unter Terror-Verdacht stehen. Anlass für einen Lauschangriff kann also weiterhin der Umstand sein, dass jemand aus einem Terror-Ausbildungslager nach Deutschland eingereist ist. "Entscheidend ist, dass das BKA in seiner zentralen Aufgabe der Terrorabwehr nicht eingeschränkt wurde", sagt der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Ansgar Heveling (CDU) zum Urteil aus Karlsruhe.

Kann der Bundes-Trojaner künftig noch eingesetzt werden?

Der Bundestrojaner, also die Software für die heimliche Durchsuchung von Computern, bleibt erlaubt. Die Richter sehen die Online-Ausspähungen mit dem Grundgesetz grundsätzlich vereinbar. Auch die Überwachung verschlüsselter Kommunikation bleibt möglich. Auf diesem Feld stoßen die Ermittler eher an technische als an juristische Grenzen.

Was wird sich in der täglichen Arbeit der Ermittler demnächst konkret ändern?

Die Kontaktpersonen von Verdächtigen dürfen nicht mehr umfassend überwacht werden. Künftig muss auch der Schutz der Privatsphäre besser beachtet werden. Bevor die Ermittler aufgezeichnete Daten aus Wohnungen oder von Computern auswerten, wird künftig eine unabhängige Stelle alle privaten Informationen herausnehmen müssen.

Wie lange wird es dauern, bis gewonnene Daten auf Privatsphäre geprüft sind?

Das kommt darauf an, wie das Bundeskriminalamt diese unabhängige Überprüfung organisiert. "Ich bin dafür, dass dies der Bundesdatenschutzbeauftragte übernimmt", sagte Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, unserer Redaktion. "Eine solche Überprüfung muss innerhalb von Stunden möglich sein. Dafür wird man auch Geld in die Hand nehmen müssen", betonte Wendt. Dieser Bereich müsse mit ausreichend Personal und einem Rund-um-die-Uhr-Bereitschaftsdienst ausgestattet sein. "Zwei Wochen können die Ermittler nicht auf Freigaben warten."

Haben die Kläger auf ganzer Linie gewonnen?

Auf ganzer Linie haben sie nicht gewonnen, da der Lauschangriff möglich bleibt. Die Kläger zeigten sich aber zufrieden. Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum erklärte, die Maßstäbe seien wieder zurechtgerückt. "Das Gericht hat sich erneut bewährt als Hüter der Verfassung.

Wie begründet das Verfassungsgericht seine Entscheidung?

Der Vize-Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, nannte die konkrete Ausgestaltung der Späh-Befugnisse des BKA "ungenügend". In etlichen Einzelvorschriften sehe der Senat "unverhältnismäßige Eingriffe" in die Grundrechte. Auf 100 Seiten machen die Juristen dem Gesetzgeber Vorschriften, mit welchen Regeln das BKA künftig arbeiten soll.

Ist es peinlich für den Gesetzgeber, dass er derart umfangreich nacharbeiten muss?

Darüber gehen die Meinungen auseinander. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagt, das Urteil der Karlsruher Richter sei "vorhersehbar" gewesen. Der CDU-Innenexperte Ansgar Heveling sieht das etwas anders: "Mit den Regelungen für das BKA zur Terrorabwehr hatte der Gesetzgeber teilweise Neuland betreten, daher ist es nicht überraschend, dass das Bundesverfassungsgericht Korrekturbedarf bei der Verhältnismäßigkeit und der Durchführung der Maßnahmen sieht."

Die Bundesregierung will den internationalen Datenaustausch zur Terrorabwehr noch verbessern. Ist das weiterhin möglich - trotz des Urteils?

Grundsätzlich ja. Aber das Verfassungsgericht hat in diesem Punkt recht enge Grenzen gezogen. Wenn Daten an Nicht-EU-Staaten gehen, muss das BKA darauf achten, dass der Datenschutz nicht unterlaufen wird. "Terrorabwehr" als alleiniger und allgemeiner Grund reicht nicht mehr aus, um eine Datenweitergabe ans Ausland oder an andere Behörden zu rechtfertigen. Nach den jüngsten Terroranschläge in Frankreich und Belgien hatte es viel Kritik an den Sicherheitsbehörden gegeben, dass sie nicht ausreichend Informationen austauschen. Das Urteil aus Karlsruhe macht die Sache nicht leichter.

(qua)
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