Urteil Familien könnten weiterhin Betreuungsgeld beziehen

Karlsruhe · Karlsruhe hat das von der Bundesregierung beschlossene Betreuungsgeld für verfassungswidrig erklärt. Doch was bedeutet dies für Eltern, die die Leistung bereits beziehen? Klar ist bislang: Niemand wird bereits erhaltene Gelder zurückzahlen müssen.

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Foto: AP

Selten war ein Verlierer vor dem Bundesverfassungsgericht so gelöst wie am Dienstag Staatssekretär Ralf Kleindiek. Als Staatsrat in Hamburg hatte der Sozialdemokrat die Klage gegen das umstrittene Betreuungsgeld auf den Weg gebracht und musste die Prämie nach seinem Wechsel ins Bundesfamilienministerium in Karlsruhe verteidigen.

Dass die Verfassungshüter die Regelung nun für nichtig erklärten, nahm Kliendiek erfreut zur Kenntnis. Die Gelder könnten nun in den Ausbau der Kinderbetreuung fließen, hofft er.

Das von Kritikern als "Herdprämie" geschmähte Betreuungsgeld war von der Bundesregierung auf Druck von Bayern 2013 beschlossen worden. Eltern können demnach 150 Euro monatlich bekommen, wenn sie ihr Kind zwischen dem 15. und 36. Lebensmonat zu Hause erziehen, statt es in einer öffentlich geförderten Kita betreuen zu lassen.

Nur Bundesländer hätten Beschluss fassen dürfen

Den Verfassungshütern zufolge hat aber nicht der Bund, sondern nur die Länder haben das Recht, solch ein Gesetz zu erlassen. Eine Ausnahme gilt, wenn ein Gesetz zur "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" nötig ist. Dies regelt im Grundgesetz der Artikel 72. Er wurde 1994, unter anderem auf Drängen Bayerns, geändert, um den Föderalismus und die Gesetzgebungskompetenz der Länder zu stärken.

Das Urteil bewegt sich an dieser Richtschnur und kommt zu dem Ergebnis, dass das Betreuungsgeldgesetz den Anforderungen von Artikel 72 nicht genügt. Das Betreuungsgeld sei nicht darauf angelegt, etwaige Mängel bei Kita-Plätzen in Ländern auszugleichen, weil die Prämien unabhängig von der Kita-Struktur gezahlt würden. Wenn Eltern Geld dafür bekommen, eine staatlich geförderte Kita nicht zu nutzen, könne nicht von einer Schaffung gleichwertige Lebensverhältnisse gesprochen werden, befand das Gericht.

Überdies stehe das Angebot öffentlich geförderter Kinderbetreuung allen Eltern offen. Nehmen Eltern dies nicht in Anspruch, verzichten sie freiwillig. Es gebe deshalb auch keine Pflicht, diesen Verzicht durch eine Prämie auszugleichen.

Die Richter gingen allerdings einer inhaltlichen Diskussion über die Zahlung aus dem Weg. Hamburgs Familien-Senator Detlef Scheele (SPD) hatte in der mündlichen Verhandlung argumentiert, die Wiedereingliederung von Müttern ins Berufsleben, die Sprachförderung von Kleinkinder mit Migrationshintergrund und die Förderung von Kindern aus sozial schwierigen Schichten würden durch die Prämien verhindert.

450.000 Eltern müssen wohl nichts zurückzahlen

Mit dem Urteil schafft das Gericht laut Kleindiek zwar "Klarheit" zur Verfassungswidrigkeit der Prämie. Damit ist aber auch der Streit eröffnet, was künftig mit den Milliarden geschehen soll.

Kleindiek betonte, es gelte nun sorgsam abzuwägen, wie die im Haushalt für das Betreuungsgeld eingeplanten Mittel eingesetzt werden könnten. Er sprach sich zugleich für einen Bestandsschutz bereits bewilligter Betreuungsgeldzahlungen aus. "Wir werden uns darum bemühen, dass die Eltern, die das Betreuungsgeld derzeit bekommen, es auch weiterhin beziehen." Dies stellte auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig in Aussicht.

Ausgemacht ist das aber noch nicht: Laut Sozialgesetzbuch darf der Staat eine rechtswidrig erteilte Begünstigung nur dann nicht zurücknehmen, wenn ein Betroffener mit Blick auf die Leistungen Entscheidungen getroffen hat, "die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann".

Klar ist jedoch, dass die über 450.000 Eltern, die bislang Betreuungsgeld bekamen, keine Prämien zurückzahlen müssen.

(AFP)
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