Betreuungsgeld Die ideologische Schlacht geht in die nächste Runde

Meinung | Berlin · Die eine Seite diffamiert das Betreuungsgeld als "Herdprämie", die andere sieht sie als sozialpolitische Errungenschaft. Nun wird das Bundesverfassungsgericht am Dienstag über den Fortbestand des Betreuungsgeldes urteilen. Letztendlich aber sollten Eltern selbst entscheiden, wie, wann und ob sie ihre Kinder in Kitas geben.

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Foto: dpa, Jörg Carstensen

Nach dem Richterspruch droht erneut eine Schlacht um die Familienpolitik. Kaum ein Politikbereich wird so emotional und so ideologisch aufgeladen debattiert wie die Familienpolitik. Das mag daran liegen, dass die meisten Menschen in der Familienpolitik nicht nur Position beziehen, sondern zugleich ihr eigenes Lebensmodell verteidigen. So wird auch die Frage, ob Kleinkinder zu Hause von der Mutter oder in einer Kita betreut werden zu einer Existenzfrage. Nur so lässt sich die teils irrational geführte politische Schlacht um das Betreuungsgeld erklären.

Am Dienstag wird sich Karlsruhe mit der Frage befassen, ob das Betreuungsgeld verfassungsgemäß ist. Gegner und Befürworter aufgepasst: Das Gericht wird nicht darüber urteilen, ob das Betreuungsgeld gut oder schlecht ist, ob es die Berufstätigkeit der Frauen hemmt oder das Seelenheil der Kinder schützt. Es wird um die schlichte Fragen gehen, ob der Bund überhaupt dafür zuständig ist, Betreuungsgeld auszubezahlen.

Nach den bisherigen Äußerungen der Bundesrichter kann damit gerechnet werden, dass diese den Bund für das Betreuungsgeld für nicht zuständig erklären. In der Konsequenz müsste das Betreuungsgeld als Leistung des Bundes abgeschafft werden. Diejenigen, die das Betreuungsgeld ohnehin nur als "Herdprämie" diffamiert haben, werden sich freuen. Die SPD-geführten Bundesländer würden die Familienleistung geräuschlos quittieren.

Die Bayern würden sich mit einem solchen Urteil nicht zufrieden geben. Es war seinerzeit die CSU, die das Betreuungsgeld im Gegenzug zum Krippenausbau als Wahlalternative für Eltern durchsetzte. In Bayern ist die Leistung sehr beliebt, in Baden-Württemberg übrigens auch, und auch in NRW gibt es viele Eltern, die das Betreuungsgeld gerne in Anspruch nehmen. Sollten die Bayern nach einem negativen Urteil des Verfassungsgerichts ein Landeselterngeld einführen, wird es eine große Debatte darum geben, wer zahlt. Da Bund und Länder immer noch über die Reform ihrer Finanzbeziehungen ringen, wird das Betreuungsgeld sicherlich als neue Manövriermasse in die Verhandlungen reingehen. Mit Sachlichkeit ist in dieser Debatte nicht zu rechnen.

Noch ein Wort zur Sache selbst: Eltern sollten tatsächlich individuell entscheiden können, ob sie ihre Kinder lieber früher oder lieber später und wie viele Stunden am Tag in eine Krippe oder einen Kindergarten geben. In beiden Lebensmodellen können Kinder wunderbar gedeihen. Die Entscheidung hängt von eigener Befindlichkeit, beruflichen Plänen und insbesondere von den Kindern selbst ab.

Vor knapp zehn Jahren gab es diese Wahlfreiheit nicht, weil es insbesondere im Westen nicht genug Betreuungsplätze gab. Im Gegenzug das Betreuungsgeld einzuführen, war als familienpolitische Maßnahme und zur Sicherung der Wahlfreiheit nicht notwendig. Durch das steuerliche Ehegattensplittung und die beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenkassen gibt es schon seit Jahrzehnten gute Unterstützung für Familien, die sich für das traditionelle Modell entscheiden. Es gibt dennoch keinen Grund, das Betreuungsgeld als "Herdprämie" zu diffamieren. Dafür ist die Fürsorge für Kinder eine viel zu wertvolle Arbeit.

(qua)
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