Interview mit Ärztepräsident Montgomery "Bestechlichkeit unter Strafe stellen"

Berlin · Ärztepräsident Montgomery begrüßt den Plan der Bundesregierung, Bestechlichkeit im Gesundheitswesen strafbar zu machen. Damit können alle im Gesundheitswesen Tätigen zur Rechenschaft gezogen werden, auch jene, die bestechen.

 Ärztepräsident Montgomery ist gegen die Termingarantier für einen Arztbesuch.

Ärztepräsident Montgomery ist gegen die Termingarantier für einen Arztbesuch.

Foto: dpa

Ist es ein Vorteil, wenn ein Gesundheitsminister mit nicht ganz so viel fachlicher Expertise ins Amt kommt, dafür aber mit gesundem Menschenverstand?

Montgomery Gesunder Menschenverstand ist immer von Vorteil, ebenso fachliche Expertise. Am besten ist es, wenn beides zusammenkommt.

Dass Minister Gröhe noch nicht von Lobby-Gruppen bearbeitet wurde, schadet nicht. Oder?

Montgomery Ein guter Lobbyismus dient der Aufklärung und hilft, Gesetze zu verbessern. Herr Gröhe hat ausreichend gesunden Menschenverstand und genug politische Erfahrung, zwischen gutem und schlechtem Lobbyismus zu unterscheiden.

Welche Projekte muss der neue Gesundheitsminister als erstes angehen?

Montgomery Die vielen kleinen Reformen, die im Koalitionsvertrag stehen, können in einem Jahr abgearbeitet werden. Dann muss sich die Gesundheitspolitik daran machen, die Finanzierung des Systems privater und gesetzlicher Kassen zu reformieren. Dabei soll das Zwei-Säulen-Modell aus gesetzlicher und privater Versicherung erhalten bleiben. Zudem muss das Gesundheitssystem insgesamt besser auf die Herausforderungen einer alternden Gesellschaft vorbereitet werden.

Es soll eine Krankenhausreform geben, wonach sich Kliniken künftig stärker spezialisieren. Ist das sinnvoll?

Montgomery Wir halten den Ansatz für richtig. Die Krankenhauslandschaft kann auch einen Strukturwandel verkraften. Die Kliniken werden es aber nicht verkraften, wenn Leistungen gestrichen werden. Wir bedauern daher sehr, dass die für den Strukturwandel vorgesehenen 500 Millionen Euro wieder aus dem Koalitionsvertrag herausgestrichen wurden.

Ist eine Bezahlung der Kliniken nach Qualität der Operationen möglich?

Montgomery Es wird seit Jahren versucht, für ausgewählte Leistungen Qualitätskriterien zu definieren. Für die Behandlung selbst mag das bei einigen Operationen möglich sein, aber wohl kaum für den Behandlungserfolg.

Wenn Fachärzte in einer Frist von vier Wochen keinen Termin anbieten können, sollen sich gesetzlich Versicherte an Kliniken wenden dürfen. Ist das praktikabel?

Montgomery Das halte ich für unsinnig. Bislang ist es ja schon so, dass die Hausärzte in dringenden Fällen bei der Vermittlung eines Fachkollegen helfen. Die geplante Termingarantie würde letztlich dazu führen, dass die weniger schweren Fälle, wenn sie da keinen Termin bekommen, ins Krankenhaus gehen. Darauf aber sind die Kliniken nicht eingestellt.

Was wäre die Alternative?

Montgomery Das Terminmanagement muss in den Händen der Ärzte bleiben. Patienten, die dringend zu einem Facharzt müssen, sollen einen Termin in kürzester Zeit mit einer Überweisung ihres Hausarztes erhalten. Dafür könnte man eine neue Form der dringlichen Überweisung schaffen. Wer ohne Überweisung seines Hausarztes einen Facharzttermin wünscht, muss unter Umständen etwas länger warten. Wichtig ist, dass Termine beim Facharzt weiterhin aus medizinischen Gründen vergeben werden.

Der Straftatbestand der Bestechlichkeit und der Bestechung im Gesundheitswesen soll eingeführt werden. Sind Sie damit einverstanden?

Montgomery Ja, sehr. Wir begrüßen, dass eben nicht nur der Bestochene bestraft werden kann, sondern eben auch diejenigen, die andere bestechen. Wichtig ist auch, dass alle im Gesundheitswesen Tätigen zur Rechenschaft gezogen werden können. Dann wird endlich das Ärzte-Bashing aufhören, alle Mediziner seien bestechlich.

Wie viel Prozent der Ärzte könnten pro Jahr unter diesen Straftatbestand fallen?

Montgomery Das kann man nicht in Prozent messen. Dafür ist der Anteil viel zu klein.

Der neue Gesundheitsminister ist bekennender und aktiver Protestant. Erwarten Sie, dass er sich für eine strengere Regelung zur Sterbehilfe einsetzt?

Montgomery Die Regelung der Sterbehilfe liegt ja primär im Justizministerium, das in der vergangenen Wahlperiode eine Neuregelung verhindert hat. Ich gehe davon aus, dass Herr Gröhe bei dem Thema einen neuen Anlauf nimmt. Es ist gut, dass wir einen Gesundheitsminister bekommen, der ethisch fest verankert ist.

EVA QUADBECK FÜHRTE DAS INTERVIEW

(RP)
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