Diskussion im Ethikrat Beschneidung nur unter Vorbehalt erlauben

Berlin · Im Deutschen Ethikrat zeichnet sich beim Streit um religiöse Beschneidungen von Jungen eine Mehrheit für eine Betäubungsvorschrift ab. In einer öffentlichen Sitzung des Beratergremiums von Bundestag und Bundesregierung sprachen sich am Donnerstag Straf- und Verfassungsrechtler, Theologen und Mediziner für eine solche rechtliche Regelung aus. Zudem gab es eine Tendenz für die Erlaubnis.

Beschneidung bei Männern - das sind die Fakten
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Der jüdische Vertreter im Ethikrat, der Medizinprofessor Leo Latasch, zeigte sich offen für lokale Betäubungen. Er betonte, diese seien in Deutschland bei Beschneidungen bereits heute üblich. Außerdem verwies er darauf, dass es "keine einzige Untersuchung" gebe, die nachweise, dass eine Beschneidung zu einem Trauma führe. Er zeigte sich überzeugt davon, dass das Bundesjustizministerium einen für Juden zustimmungsfähigen Vorschlag vorlegen werde.

Beschneidung als "Elternrecht"

Latasch sowie das muslimische Mitglied im Ethikrat, der Mainzer Medizinethiker Ilhan Ilkilic, hoben die herausragende Bedeutung der Beschneidung im Verständnis beider Religionen hervor. Der Kölner Strafrechtsprofessor Wolfram Höflin plädierte für "eine Anerkennung der Beschneidung als Elternrecht", allerdings unter der Bedingung, dass diese "fachgerecht" und "schmerzvermeidend" vorgenommen werde.

Generell ließ der Ethikrat zwar eine Tendenz für die Erlaubnis der Beschneidung kleiner Jungen aus religiösen Gründen erkennen. Die sei aber nur unter Vorbehalten denkbar, sagte die Vorsitzende Christiane Woopen. Dazu gehöre die Einwilligung beider Elternteile, die Schmerzbekämpfung und "fachgerechte Durchführung" der Beschneidung.

Der Hamburger Rechtswissenschaftler Reinhard Merkel betonte in der Sitzung, eine Beschneidung ohne Betäubung halte er "für rechtlich wie ethisch inakzeptabel". Diese dürfe nicht erlaubt werden. Er fügte hinzu, "ohne Anästhesie ist eine Beschneidung nicht nur schmerzhaft, sondern qualvoll". Aus seiner Sicht wäre nur eine Vollnarkose "wirklich effizient". Diese sei aber nach einhelliger medizinischer Überzeugung für Neugeborene zu gefährlich.

Merkel äußerte sich grundsätzlich skeptisch zu einem Recht auf frühkindliche Beschneidung. Er warnte vor einem "jüdisch-muslimischen Sonderrecht" und einem "Sündenfall des Rechtsstaates".

Kein Verständnis für Bedeutung von Religion

Der stellvertretende Vorsitzende des Ethikrats, der evangelische Theologe Peter Dabrock, plädierte ebenfalls für "nachgewiesen wirksame schmerztherapeutische Maßnahmen". Zugleich bemängelte er, dass die öffentliche Debatte "wenig bis kein Verständnis" für die "existenzielle Bedeutung von Religion" zeige. In einem dapd-Interview verlangte er, die vom Bundestag angestrebte gesetzliche Regelung müsse "einen Ausgleich zwischen medizinischen und rituellen Erfordernissen" schaffen.

Israels Präsident bittet Deutschland um Schutz des Rituals

In einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an Bundespräsident Joachim Gauck bat der israelische Staatspräsident Schimon Peres den deutschen Staat darum, das Ritual der Beschneidung zu schützen. "Die Beschneidung ist ein seit Jahrtausenden im Herzen der jüdischen Identität befindliches jüdisches Ritual, das das jüdische Volk seit den ersten Geboten Gottes an Abraham definiert", heißt es in dem Schreiben, aus dem das israelische Präsidialamt am Donnerstag Auszüge veröffentlichte.

Peres begrüßte die Ankündigung des Berliner Justizministeriums, im Herbst einen Gesetzentwurf zum Schutz des Brauchs vorzulegen. Er äußerte sich "zuversichtlich", dass Deutschland "in Treue zu seinen Werten" das "Recht der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland zur freien Religionsausübung" schützen und aufrechterhalten werde.

Berufsverband der Kinderärzte spricht von Skandal

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) sprach nach der Ethikratssitzung von einem Skandal. "Kindeswohl und das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit haben bei der heutigen Entscheidung offenbar keine Rolle gespielt", sagte BVKJ-Präsident Wolfram Hartmann. Das erst im Januar in Kraft getretene Bundeskinderschutzgesetz schütze muslimische und jüdische Kinder nicht. "Ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit ist offenbar zweitrangig. Das ist ein Skandal", sagte Hartmann weiter.

(APD/dapd)
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