Steuerschätzung Die Länder dürfen den Bund nicht überfordern

Meinung | Berlin · Gut, dass die Koalition für das kommende Jahr im Haushalt vorgesorgt hat. Sie überträgt fünf Milliarden Euro, die sie im laufenden Jahr auf der hohen Kante hat, als Rücklage ins nächste Jahr. Die neue Steuerschätzung zeigt, dass das bitter nötig ist: Denn der Bund wird nach der Prognose im Jahr 2016 knapp fünf Milliarden Euro weniger Steuern einnehmen als bisher erwartet.

 Deutschland muss nach der aktuellen Steuerschätzung mit fünf Milliarden Euro weniger planen.

Deutschland muss nach der aktuellen Steuerschätzung mit fünf Milliarden Euro weniger planen.

Foto: dpa, awe lof cul

Das Minus erklärt sich ausschließlich mit den zwischenzeitlichen Steuerrechtsänderungen, die bei der letzten Prognose im Mai noch nicht geltendes Recht waren. So wird der Grundfreibetrag 2016 angehoben, ebenso der Kinderfreibetrag. Zudem kommt es zu einer geringfügigen weiteren Entlastung bei der Einkommensteuer.

Doch bitter nötig ist die Rücklage auch, weil die Ausgaben für die Flüchtlingshilfe exorbitant steigen werden. Der Städtetag hat sie auf etwa 16 Milliarden Euro im laufenden Jahr geschätzt. Im kommenden Jahr könnte schnell eine doppelt so hohe Summe anfallen. Der Bund wird davon die Hälfte tragen müssen. Ob Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Nullverschuldung im Haushalt noch wird halten können, erscheint da fraglich. Schäuble selbst bereitet die Öffentlichkeit darauf vor, dass sich der Bund von der "schwarzen Null" möglicherweise verabschieden muss.

Die Neuverschuldung 2016 zu erhöhen, wäre zweifellos, verglichen mit den Alternativen, der richtige Weg. Denn die Steuern anzuheben, um höhere Flüchtlingsausgaben zu finanzieren, könnte innenpolitisch fatale Folgen haben. Es wäre ein gefundenes Fressen für jeden rechten Demagogen. Auch mit Blick auf die Konjunktur, die 2016 nicht mehr auf so sicheren Beinen stehen wird, wären Steuererhöhungen kontraproduktiv. Dies gilt umso mehr für Ausgabenkürzungen an anderer Stelle im Haushalt.

Den zum Teil dreisten Finanzforderungen der Länder sollte der Bund allerdings künftig nicht mehr nachgeben. Zu Recht warnt der Bundesrechnungshof, dass die Länder den Bund mit ihrem Finanzhunger schon überfordern. Die Länder stehen in der Verantwortung, ihre Defizite selbst in den Griff zu bekommen.

An zu geringen Steuereinnahmen kann es nicht liegen, sollten sie die Schuldenbremse verfehlen: Aus der aktuellen Steuerschätzung gehen die Länder als Gewinner hervor. Während der Bund 2016 weniger Einnahmen erwartet, steigt die Prognose für die Länder. Bis 2019 dürfen die Länder insgesamt sogar über 17 Milliarden Euro an Mehreinnahmen gegenüber der bisherigen Steuerprognose erwarten. In der Flüchtlingspolitik ist es an der Zeit, dass die Länder jetzt praktisch umsetzen, was Bund und Länder vereinbaren — statt immer nur nach noch mehr Geld vom Bund zu rufen.

(mar)
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