Diskussionen in der Partei Rumoren rund um das "C" in der CDU

Düsseldorf (RP). In der CDU bahnt sich eine heftige Kontroverse an. Christliche Politiker fühlen sich von der CDU-Vorsitzenden nicht mehr vertreten. Bis hinauf in den Fraktionsvorstand reichen die Kritiker, die dringend eine "Debatte um das C" anmahnen.

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Foto: dpa, mkx axs

Am 27. September geht es bei den Bundestagswahlen nicht nur darum, ob Angela Merkel Kanzlerin bleibt, ob es Guido Westerwelle im dritten Anlauf in die Regierung schafft oder Schwarz-Gelb ein weiteres Mal auf der Zielgeraden schlapp macht. Es geht auch darum, welchen Weg die CDU von ihrem inneren Wertekompass abliest und wohin sie dann geht. Noch halten diejenigen still, die einst wegen des "C" in die CDU eingetreten waren oder die Partei in der Vergangenheit vor allem wegen der christlichen Grundorientierung gewählt hatten. Je nach Wahlergebnis wird jedoch am 28. September nach Überzeugung vieler Konservativer in der Union auch Merkel den Deckel nicht mehr auf dem brodelnden Kessel christlicher Unzufriedenheit halten.

Gerade angesichts der immer knapper werdenden Umfragewerte halten die innerparteilichen Kritiker von Merkels weichgespültem Wahlkampf den Atem an: Funktioniert die Strategie der Parteichefin, wonach aus dem Lager der Wechsel- und Nichtwähler mehr für die CDU zu holen ist als bei den Stammwählern verloren zu gehen droht? Die regionalen Umfragen belegen, dass dieses Kalkül sowohl haarscharf aufgehen als auch krachend scheitern kann. Ausgerechnet in der atheistisch geprägten Hauptstadt liegt die CDU derzeit erstmals wieder vor der SPD. Auch das lange Zeit als SPD-Stammland geltende Nordrhein-Westfalen entwickelt sich zu einer sicheren Bank für die CDU mit Umfragen jenseits der magischen 40-Prozent-Marke.

Auf der anderen Seite laufen die konservativen Milieus der Union im Süden und Südwesten in Scharen davon. Jeder dritte Wähler für die Union kam aus Bayern und Baden-Württemberg, wenn am Ende eine unionsgeführte Bundesregierung dabei herauskam. Aber sowohl die bayerische CSU als auch die baden-württembergische CDU liegen in den aktuellen Umfragen weit hinter den Werten früherer Wahlen.

Kurz nach den dramatischen Verlusten der CDU in den Landtagswahlen in Thüringen und im Saarland mahnte einer der wichtigsten Strippenzieher der Union, der baden-württembergische Landesgruppenchef Georg Brunnhuber, in einer internen Sitzung als Konsequenz aus den Wählerverlusten ein klareres Eintreten für christliche Werte an. Er wies ausdrücklich auf das Buch eines CDU-Mitglieds hin, das sich mit dem C in der Partei beschäftigt und vielseitig Klage über den Verlust von christlicher Werteklarheit der CDU in der Ägide Merkel führt. Da stünden viele "bedenkenswerte" Gedanken drin, meinte Brunnhuber. Die CDU-Chefin reagierte unwirsch. Denn der Autor heißt Martin Lohmann. Lohmann ist für Merkel das, was das rote Tuch für den Stier bedeutet. Am liebsten will das Tier gar nicht darauf reagieren, aber dann wird es ihm immer wieder von allen möglichen Seiten vor die Augen gehalten, um es zu reizen.

Auch Merkel reagiert gereizt, wenn mal wieder einer zum roten Tuch namens Lohmann greift. Erst Recht, wenn es Lohmann selber ist. Als der katholische Publizist aus Bonn der Kanzlerin am Rande einer Diskussionsrunde persönlich ein Exemplar seines Buches "Das Kreuz mit dem C — wie christlich ist die CDU?" überreichen wollte, hatte sie "leider keine Hand frei". Beim Blick auf die wenigen Blätter Papier in ihrer Hand verstand Lohmann sofort — und brachte es persönlich ins Kanzleramt. Dass er dort so ohne weiteres und sicherlich nicht auf Einladung der Chefin hinein kam, zeugt davon, wie gut der Bonner im Berliner Politikbetrieb vernetzt ist. Das hat auch damit zu tun, dass Lohmann sagt, was viele denken, aber derzeit nicht aussprechen wollen.

"Eine Debatte über unser C ist seit langem überfällig — nach der Wahl werden wir sie dringend führen müssen." Das sagt einer, der zu den bekanntesten Politikern der Republik gehört, aber damit auf keinen Fall zitiert werden möchte. Ein anderer in der Fraktionsführung bringt es auf den Punkt: "Lohmann hat einfach Recht." Ob er damit zitiert werden möchte? "Natürlich nicht." Und dann schiebt er hinterher: "Noch nicht." Und ein Dritter klagt: "Das geht so nicht weiter mit der Dame, wir wissen doch gar nicht mehr, was wir den Treuesten unserer Treuen sagen sollen, wofür wir denn noch stehen." Bei ihm kommt der Nachsatz: "Rufen Sie mich noch mal an. Nach den Wahlen."

Da braut sich was zusammen in der Christen-Union. Gespannt verfolgen sie jedes Wort ihrer Chefin. Aber sie hören nichts, sind nur verbittert, wenn Merkel im 90minütigen TV-Duell kein einziges Mal das Wort "christlich" erwähnt. Selbst das Wort "christdemokratisch" kommt nicht vor. Eine Woche später spricht die Kanzlerin vor der Bundespressekonferenz zwar von sich aus das "C" an. Doch ihre Definition spricht in den Augen ihrer Kritiker Bände: Die CDU habe bislang ihren Koalitionspartnern "deutlich gemacht, dass das C in unserem Parteinamen ein C ist, das sich mit Nächstenliebe, mit Mitmenschlichkeit und mit Arbeitnehmerinteressen befasst." So ähnlich hätte die SPD ihr "S" auch umschreiben können.

Merkels Rotes-Tuch-Lohmann lässt nicht locker, von der Kanzlerin ein Zeichen einzufordern. Als unter den CDU-Katholiken wegen der als ungebührlich empfundenen Papst-Kritik der Kanzlerin der Haussegen schief hing, unternahm er einen neuen Anlauf, der CDU-Chefin die Etablierung eines innerparteilichen "Katholischen Arbeitskreises" schmackhaft zu machen. Nach der Wiedervereinigung hatte es bereits einen ersten Versuch gegeben. Die CDU habe sich nun deutlich verändert gegenüber ihrem Nachkriegsstart, hieß es Anfang der 90er Jahre. Weil die CDU vor allem aus den Milieus des katholischen Zentrums erwachsen war, sich aber betont überkonfessionell aufbaute, hatte sie sich zum Nachdruck eigens einen "Evangelischen Arbeitskreis" (EAK) zugelegt, der auch sechs Jahrzehnte später noch mit über 200.000 Mitgliedern, eigener Zeitung, eigenem Antragsrecht und eigenem Vorstandssitz das evangelische Profil der CDU stärken kann. Die Katholiken können das nicht.

"Katholisch sind wir sowieso", lautete — in bester Adenauer-Manier — nach der Wiedervereinigung die zentrale Argumentation des damaligen CDU-Chefs Helmut Kohl, als er das Ansinnen ablehnte. In dieser Tradition steht auch die protestantische Pastorentochter Merkel. Für die Gründung des EAK habe es "Gründe" gegeben. Mit einem Katholischen Arbeitskreis werde aber das falsche Zeichen gesetzt: "Wir wollen ökumenisch bleiben."Lohmann hält dagegen. Alles, was für den EAK angeführt werde, gelte zu hundert Prozent für einen Katholischen Initiativkreis (KAI). Der EAK übernehme eine "wichtige Brückenfunktion zwischen Partei sowie Kirche und Gesellschaft", er habe das "Anliegen, evangelische Christen zum profilierten politischen Engagement zu ermutigen". Lohmann: "Warum soll das für katholische Christen nicht gelten?" Denn eines sei nach der Wiedervereinigung und nach dem Umzug nach Berlin unübersehbar: "Der rheinische Katholizismus dominiert diese Union weiß Gott nicht mehr."

Auf das von Merkel erhoffte Zeichen noch vor der Wahl warteten auch wohlmeinende Christen in der Christenunion vergeblich. Unter Lebensschützern ist zu hören, dass sich viele mit dem Gedanken trügen, bei der CDU zwar wie gewohnt ihr Kreuz zu machen, den Stimmzettel dann aber ungültig zu machen. Um ein Zeichen zu setzen, was die Relativierung des Kreuzes für die CDU bedeuten könne.

Ob es etwas nutzt? Parteispitzen schauen sich genau an, wer was gewählt und wer nicht gewählt hat. Für "ungültige" Stimmen interessieren sie sich nicht.

Inzwischen hat sich Brunnhuber "ausdrücklich von den Inhalten des Buches und den Behauptungen des Autors Martin Lohmann" distanziert. Schon bei der Vorstellung des Buches habe er dem Autor widersprochen und dessen Behauptungen über Merkel und die CDU "aufs schärfste zurückgewiesen". Es habe nach den Landtagswahlen keine Sitzung gegeben, auf der er mehr christliche Werte angemahnt habe. Lohmann sei in Fraktion und Partei in weiten Teilen unbekannt.

(RP)
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