Belgische Atomkraftwerke "Atomabkommen ist ein Schritt in die richtige Richtung"

Brüssel · Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat am Montag in Brüssel ein deutsch-belgisches Atomabkommen unterzeichnet. Doch mehr Sicherheit für die Bewohner entlang der deutsch-belgischen Grenze bringt das nicht unbedingt. Es geht eher um Informationsaustausch.

 Umweltministerin Barbara Hendricks wird am Weiterbetrieb von Tihange trotz des Abkommens nichts ändern können.

Umweltministerin Barbara Hendricks wird am Weiterbetrieb von Tihange trotz des Abkommens nichts ändern können.

Foto: dpa

In dem Abkommen vereinbarten beide Länder am Montag in Brüssel, sich gegenseitig besser über Entwicklungen zur nuklearen Sicherheit zu informieren. Anlass für die Verhandlungen zu dem Abkommen war die Wiederinbetriebnahme der beiden grenznahen belgischen Meiler Doel 2 und Tihange 3.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) erwartet keine erhöhte Sicherheit durch das bilaterale Atomabkommen. "Das Abkommen kann Probleme nicht erfassen, die belgische Regierung bleibt zuständig für die Sicherheit der Reaktoren", sagte Hendricks am Montagmorgen vor Beginn des EU-Umweltrats in Brüssel. Ziel des Abkommens sei ein besserer Informationsaustausch.

Eine gemeinsame Nuklearkommission soll kommendes Jahr erstmals tagen, wie Hendricks am Montag bestätigte. Die erste Sitzung werde bereits zu "Beginn des nächsten Jahres" stattfinden.

Darüber hinaus sind nach Angaben der Umweltministerin gegenseitige Besuche in Atomkraftwerken geplant. Schon vor einigen Wochen hätten belgische Vertreter an einer Ortsbegehung des deutschen Atomkraftwerks im nordrhein-westfälischen Mülheim-Kärlich teilgenommen, sagte Hendricks. Einen Zeitpunkt für einen Gegenbesuch deutscher Atomexperten in einem belgischen Kraftwerk nannte die Ministerin zunächst nicht.

Bereits im Februar hatten Deutschland und Belgien sich auf die Schaffung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit gegenseitigen Besuchen geeinigt. Damit reagierte die Bundesregierung auf die Wiederinbetriebnahme der umstrittenen belgischen Reaktoren Doel 3 und Tihange 2.

Hans-Josef Allelein, Professor für Reaktorsicherheit an der RWTH Aachen, findet es gut, dass Deutschland und Belgien miteinander sprechen. "Das Abkommen ist grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung ist." Es sei nur fraglich, ob die Maßnahmen auch ausreichen.

Dennoch werde das Abkommen nicht dazu führen, dass sich kurzfristig irgendetwas ändert. Er bezweifelt zudem, dass deutsche Experten bei einem kurzen Besuch in den Atomkraftwerken Doel und Tihange überhaupt Mängel feststellen können.

Sinnvoll sei es, wenn der Reaktor 2 in Tihange und der Reaktor 3 in Doel 2017 erneut auf Sicherheit geprüft würden — diesmal auch unter Beteiligung deutscher Spezialisten, etwa aus der Reaktorsicherheitskommission. Ein internationales Gremium war 2015 zu dem Schluss gekommen, es sei kein Risiko, den Betrieb der beiden Reaktoren wieder aufzunehmen. Allelein regt neue Ultraschall-Untersuchungen an, die zeigen sollen, ob noch mehr Haarrisse in den Reaktordruckbehältern dazugekommen sind.

Der Reaktor 2 des nur etwa 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernten Atomkraftwerks Tihange war seit 2012 fast durchgehend abgeschaltet gewesen, nachdem Materialfehler in den Reaktordruckbehältern festgestellt worden waren. Konkret äußerte die Bundesregierung Beunruhigung über "eine Vielzahl von feinen Haarrissen" in den Reaktordruckbehältern. Ende 2015 erlaubte die belgische Atomaufsicht ein Wiederhochfahren der Anlage, das allerdings von einer Pannenserie begleitet war.

Wegen "offener Sicherheitsfragen" hatte die Bundesregierung Belgien vergeblich darum gebeten, die umstrittenen Atomkraftwerke Tihange und Doel vorübergehend vom Netz zu nehmen. Hendricks wiederholte am Montag ihre Bitte, die "beiden Reaktoren tatsächlich stillzulegen, bis man noch einmal eine genauere Prüfung hat machen können, ob sie denn nun wirklich für alle denkbaren Möglichkeiten gerüstet sind". Gleichzeitig schränkte die Ministerin ein, derzeit sehe sie kein solches Entgegenkommen seitens der belgischen Regierung.

Bereits im Februar hatte die Städteregion Aachen gegen die Wiederinbetriebnahme von Tihange 2 geklagt, im April schloss sich die nordrhein-westfälische Landesregierung der Klage an.

Belgien plant, bis 2025 ganz aus der Atomenergie auszusteigen. Ursprünglich sollten die Reaktorblöcke Tihange 1 sowie Doel 1 und 2 nahe Antwerpen schon 2015 stillgelegt werden, die Atombehörde des Landes hatte die Laufzeit jedoch um zehn Jahre verlängert.

(AFP/heif)
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