Bauernregel-Kampagne Proteste in Kleve — Ministerin Hendricks entschuldigt sich bei Bauern

Umweltministerin Barbara Hendricks hat mit der "Bauernregeln"- Kampagne für nachhaltige Landwirtschaft einen Proteststurm ausgelöst – auch in ihrer Heimat Kleve. Nun entschuldigte sie sich dafür, weil sich viele Bauern angegriffen fühlten.

Umweltministerin Barbara Hendricks hat mit der "Bauernregeln"- Kampagne für nachhaltige Landwirtschaft einen Proteststurm ausgelöst — auch in ihrer Heimat Kleve. Nun entschuldigte sie sich dafür, weil sich viele Bauern angegriffen fühlten.

Mit lautstarkem Pfeifen aus Hunderten Trillerpfeifen und dem Tröten schwarz-rot-goldener Vuvuzelas machen sie ihrem Ärger Luft: Niederrheinische Landwirte fahren mit ihren Traktoren durch Kleve zum Wahlkreisbüro der SPD-Abgeordneten und Ministerin Barbara Hendricks. Auf Plakaten und Spruchbändern protestieren sie gegen die "Bauernregeln"-Kampagne der Bundesumweltministerin.

Bundesweit hatte die humorig gemeinte PR-Aktion in den vergangenen Tagen statt Schmunzeln pure Wut bei Bauern erzeugt: Die Landwirtschaft fühle sich von den "Bauernregeln" verspottet und diffamiert, hieß es von Verbänden und dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Im Internet hatte Hendricks' Ressort Sprüche wie "Gibt's nur Mais auf weiter Flur, fehlt vom Hamster jede Spur" oder "Haut Ackergift die Pflanzen um, bleiben auch die Vögel stumm" verbreitet.

"Dialog: ja! - Diffamierung: nein!"

Das sind die neuen Bauernregeln 2017 des Bundesumweltministeriums
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Foto: Bundesumweltministerium

Nach Angaben der Klever Polizei zogen gestern mehr als 250 Landwirte mit rund 100 Traktoren auf die Fläche zwischen Bahnhof und Hochschule. Lena Kamps, Kreis-Geschäftsführerin der SPD, nahm in ihrem Büro später eine Resolution der Demonstranten entgegen. "Dialog: ja! - Diffamierung: nein!" war die Veranstaltung überschrieben, zu der der Rheinische Landwirtschafts-Verband (RLV) aufgerufen hatte. Deutlich mehr Teilnehmer als erwartet fanden sich am Rand der Klever Innenstadt ein und zogen Aufmerksamkeit auf sich - allein schon, weil die Polizei sicherheitshalber die Straße zum Parteibüro abgeriegelt hatte. Auch vor dem Wahlkreisbüro selbst standen die Beamten Wache.

"Das müssen die natürlich, aber bei einer Bauern-Demo ist noch nie etwas passiert", sagt Landwirt Johannes Schlaghecken aus Bedburg-Hau. Der Mann ist im Ton deutlich moderater als seine Kollegen, die ihren Ärger herausschreien. Schlaghecken traut sich zu sagen, dass Hendricks ja "eigentlich eine nette, integre Frau" sei, zudem Kleverin - aber derzeit mache sie sich zum Erfüllungsgehilfen der Umweltverbände.

Erich Gussen, der Vizepräsident des RLV, empört sich darüber, dass Hendricks' Kampagne 1,6 Millionen Euro an Steuergeld gekostet habe. "Pauschale und undifferenzierte Kritik an der Landwirtschaft" sei damit bezahlt worden. Die Bauern verwehren sich gegen Kampfbegriffe wie "Massentierhaltung" und "Ackergift" und erinnern daran, dass sie sich (etwa im Umgang mit Gülle) an Regelungen halten, die die Politik aufgestellt hat. Bevor man strengere Gesetze verabschiede, solle man doch mit den Landwirten sprechen, hieß es. Zuallererst verlangten die Bauern aber eine Entschuldigung für die Plakat-Aktion.

Harte Arbeit — wenig Auskommen

Und tatsächlich reagierte Hendricks nun auf die Proteste (die etwa mit Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke selbst aus SPD-Reihen kamen) und Rücktritts-Forderungen, wie sie der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) äußerte.

Direkt an die Landwirte gerichtet sagte Hendricks unserer Redaktion: "Viele von Ihnen geben mir Recht darin, dass sich etwas ändern muss in der Art und Weise, wie wir in Deutschland Landwirtschaft betreiben. Gleichwohl sehen Sie sich durch die Aufmachung der Kampagne persönlich angegriffen oder sich in ihrer Berufsehre verletzt." Hendricks ergänzte: "Das tut mir leid - mir auch ganz persönlich! - denn das war selbstverständlich niemals meine Absicht."

Sie komme selbst aus einer landwirtschaftlich geprägten Region, betonte die Ministerin. Sie wisse, dass viele Landwirte sehr hart arbeiten würden und gleichzeitig immer weniger Auskommen hätten. Mit ihrer Kampagne wolle sie darauf aufmerksam machen und auf die Umweltprobleme, die durch "Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft" verursacht wurden. Hendricks rief zu einer sachlichen Debatte zur Zukunft der Landwirtschaft auf und lud zum Dialog ein, den die nächste Stufe der Kampagne bringen soll. Die Plakate mit den "Bauernregeln" werde es nun nicht gleichzeitig geben, sagte ein Sprecher.

Rückendeckung erhielt Hendricks von Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. "Es ist ein absurdes Theater, das vor allem von Union und Bauernverband gespielt wird", sagte Hofreiter unserer Redaktion. Die Kampagne von Hendricks lege den Finger in die Wunde. Der Grünen-Politiker übte aber auch Kritik. "Mit cleveren Sprüchen ist alleine auch nichts erreicht." Es brauche eine Trendumkehr hin zu einer umwelt- und tierfreundlicheren Landwirtschaft, weg von zu viel Gülle im Grundwasser, Giften im Acker und Tierqual, sagte Hofreiter.

(jd / mar)
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