Axt-Angriff in Regionalbahn "Verkehrsmittel sind immer ein bevorzugtes Ziel"

Düsseldorf/Würzburg · Es sind unangenehme Fragen, die sich nach der Axt-Attacke bei Würzburg stellen: Wie sicher ist das Reisen per Bahn? Kann man Züge überhaupt wirksam vor Terrorattacken schützen? Sicherheitsexperte Martin Kahl gibt Antworten.

Axt-Angriff in Zug bei Würzburg: Mann attackiert Reisende
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Mann greift Reisende in Regionalzug an

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Foto: ap, fpt

Herr Kahl, ist die Deutsche Bahn ein besonders gefährdetes Ziel für Terroranschläge?

Martin Kahl Verkehrsmittel sind immer ein bevorzugtes Ziel, das lässt sich ganz allgemein so sagen. Das gilt für die Deutsche Bahn genauso wie für Flughäfen, Flugzeuge oder Busse.

Warum ist das so?

Kahl Die Täter wissen zum einen, dass sie mit einem solchen Anschlag große Aufmerksamkeit erreichen. Zum anderen sind im Fall einer Attacke sehr viele Menschen auf einmal betroffen.

Aber da gibt es doch große Unterschiede - in Flughäfen gibt es Personenkontrollen, in Zügen nicht.

Kahl Das stimmt, trotzdem ist der Anschlag am Brüsseler Flughafen geglückt, weil er außerhalb der kontrollierten Zone verübt wurde. Und Züge macht die Abwesenheit von Kontrollen natürlich besonders angreifbar. Man kann überall einfach mit einer Waffe einsteigen - und alles kann eine Waffe sein -, und niemand bemerkt es.

 Dr. Martin Kahl ist Referent am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg. Seine Schwerpunkte sind Terrorismusforschung, neue Sicherheitsstrukturen in Europa und Militärstrategie.

Dr. Martin Kahl ist Referent am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg. Seine Schwerpunkte sind Terrorismusforschung, neue Sicherheitsstrukturen in Europa und Militärstrategie.

Foto: Martin Kahl

Wäre es dann nicht eine Lösung, Kontrollen an Bahnhöfen einzuführen?

Kahl Selbst wenn man Kontrollen für die großen Bahnhöfe einführen würde - es gibt so viele kleine Bahnhöfe in Deutschland, dass man sie niemals alle absichern könnte. Und selbst wenn das wiederum gelänge, dann gehen die Täter einfach eine Stufe weiter und verüben die Anschläge auf Busse oder auf Marktplätze oder mitten im Karneval. Diese Orte lassen sich unmöglich absichern. Das liegt auch daran, dass man heutzutage nicht viel für einen Terroranschlag braucht: ein Ziel, eine große Menschenansammlung und eine Waffe, die längst keine Bombe mehr sein muss, sondern von einem Auto bis hin zu einer Axt reichen kann. Dass liegt auch daran, dass viele, die einen Anschlag verüben wollen, genug Vorbilder haben und gar nicht mehr groß überlegen.

Wie meinen Sie das?

Kahl Wir nennen das Pfadabhängigkeit. Sie sehen, dass etwas funktioniert hat, und machen es einfach nach, ohne vorher strategisch darüber nachzudenken. Das geht in Bussen, Bahnen, oder auch mit einem Lkw wie in Nizza.

Aber nicht in Flughäfen.

Kahl Das stimmt, aber einen solchen Anschlag verübt auch kein wahrscheinlich frustrierter 17-jähriger Flüchtling aus Afghanistan.

Das heißt, Sie gehen im Fall Würzburg nicht von einem Terroranschlag aus?

Kahl Die Motive sind schwer einzuschätzen. Selbst bei islamistischen Terrorattacken innerhalb Europas stellen wir fest, dass jedes Mal eine ganz andere Motivation zugrunde liegt. Und über den 17-Jährigen ist noch nicht viel bekannt. Derzeit sieht es für mich aber so aus, als ob es sich sowohl in Nizza als auch in Würzburg um Amoktaten handelt. Dass also das politische Motiv nachgeschoben wurde, um die Tat zu rechtfertigen, um ihr sogar etwas Ehrenhaftes zu verleihen. Letztlich muss man die Ermittlungen abwarten.

(ham)
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