Kabinett stimmt ab Anti-IS-Einsatz: Deutsche befürchten wachsende Terrorgefahr

Berlin · Weil sich die Bundeswehr am Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) beteiligen will, fürchtet eine große Mehrheit der Bundesbürger eine wachsende Anschlagsgefahr in Deutschland. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur.

 Die Bundeswehr will sich mit Tornados am Kampf gegen den IS in Syrien beteiligen.

Die Bundeswehr will sich mit Tornados am Kampf gegen den IS in Syrien beteiligen.

Foto: dpa, eis_fd tba lus

Demnach rechnen 71 Prozent mit einer größeren Bedrohung, nur 18 Prozent glauben nicht daran. Doch trotz der Angst vor Anschlägen ist der Rückhalt für die Mission mit bis zu 1200 deutschen Soldaten relativ hoch. 45 Prozent sind dafür, 39 Prozent dagegen. Der geplante Einsatz von 650 Soldaten zur Friedenssicherung im westafrikanischen Mali stößt auf weniger Akzeptanz. 40 Prozent befürworten ihn, 41 Prozent sind dagegen.

Die geplante Ausweitung des Ausbildungseinsatzes in Afghanistan wird mit 39 Prozent Befürwortern und 43 Prozent Gegnern noch etwas skeptischer gesehen. Am Hindukusch sollen nächstes Jahr bis zu 980 statt bisher 850 deutsche Soldaten zur Beratung und zum Training afghanischer Streitkräfte stationiert werden.

Noch mehr Ablehnung ruft die Lieferung von Waffen an die kurdischen Kämpfer im Nordirak in der deutschen Bevölkerung hervor. Nur 37 Prozent finden das gut, 47 Prozent sind dagegen. Die Waffenlieferungen waren der erste deutsche Beitrag zum internationalen Kampf gegen den IS.

Chef der Innenministerkonferenz: Keine erhöhte Gefahr

Aus Sicht des Chefs der Innenministerkonferenz (IMK), Roger Lewentz, erhöht der geplante Einsatz die Attentatsgefahr in Deutschland nicht weiter. "Das glaube ich nicht. Die Bedrohungslage ist hier spätestens seit den jüngsten Attentaten bei unserem Nachbarn Frankreich längst da", sagte der rheinland-pfälzische Ressortchef (SPD) der Deutschen Presse-Agentur.

"Der IS will nicht Staaten, sondern ein Wertesystem angreifen. Da gehören wir dazu." Für eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze gebe es keinen Grund, ergänzte Lewentz. "Schon nach den Anschlägen in Paris im Januar haben die Bundesländer ihre Hausaufgaben gemacht. Rheinland-Pfalz hat die Polizei beispielsweise mit neuen Waffen, Schutzwesten und gepanzerten Fahrzeugen nachgerüstet." Eine Lücke in den Sicherheitsgesetzen sehe er nicht. Es könne auch nicht auf jeden terroristischen Schlag eine Gesetzesänderung folgen.

In diesen Ländern gibt es gefährliche IS-Ableger
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"Die Bedrohung in Deutschland ist unverändert hoch", warnte der IMK-Vorsitzende. "Wir haben aber keine konkreten Hinweise auf irgendeinen Anschlag zum Beispiel auf einem Weihnachtsmarkt oder beim Karneval." Das öffentliche Leben müsse weitergehen.

Kabinett entscheidet am Dienstag

Am Dienstag entscheidet das Bundeskabinett über die Beteiligung mehrerer deutscher "Tornado"-Aufklärungsflugzeuge, eines Tankflugzeugs und eines Kriegsschiffs am Kampf gegen den IS in Syrien und im Irak.

Das geplante Engagement der Bundeswehr ist eine Antwort Deutschlands auf die Terroranschläge von Paris vor gut zwei Wochen. Der Einsatz soll - wie bei den Mandaten für Auslandseinsätze üblich - zunächst auf ein Jahr befristet sein und 134 Millionen Euro kosten. Nach einem Kabinettsbeschluss muss noch der Bundestag zustimmen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verteidigte die Entsendung deutscher Tornados und Tankflugzeuge nach Syrien und mahnte zugleich einen "langen Atem" zur Lösung des Konfliktes an. "Wir tun das, was militärisch gebraucht wird, wir am besten können und politisch verantworten können", sagte er der "Bild". "Aber es bleibt meine Überzeugung: Mit Bomben und Raketen allein ist Terror nicht zu besiegen, das geht letztlich nur politisch." Daher müssten alle entscheidenden internationalen Akteure an den Verhandlungstisch gebracht haben.

Keine Koalition mit Assad

Nach Überlegungen in der Regierungskoalition könnte die Bundeswehr mittelfristig auch mit syrischen Truppen zusammenarbeiten. Eine Kooperation mit Truppen unter dem Kommando von Baschar al-Assad schließt die Bundesregierung aber aus. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bekräftigte am Montagabend in Hannover: "Eine Zukunft mit Assad wird es nicht geben."

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), sagte der "Passauer Neuen Presse": "Der IS-Terrorismus darf nicht mit dem syrischen Staatsterrorismus bekämpft werden. Das würde uns jede Glaubwürdigkeit nehmen."

Die Linke lehnt den Militäreinsatz kategorisch ab. "Das ist ein klarer Tabubruch und unverantwortlich, denn damit wächst auch hierzulande die Terrorgefahr", sagte Parteichef Bernd Riexinger den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte eine "politische Gesamtstrategie". "Ein unkoordinierter Militäreinsatz birgt die Gefahr, dass sich die Situation zwischen den vielen Fronten sogar verschlechtert."

Eine US-geführte Koalition fliegt seit mehr als einem Jahr Luftangriffe gegen die Dschihadisten. Auch Russland fliegt Luftschläge in Syrien. Das britische Parlament entscheidet voraussichtlich am Mittwochabend über Regierungspläne, die Luftschläge gegen den IS im Irak auf Syrien auszudehnen.

(lsa/dpa)
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