Terror in Frankreich Flüchtlings-Debatte wird radikaler

Berlin/Düsseldorf · Nach den Anschlägen von Paris fordert die CSU bessere Grenzsicherungen für Deutschland und Europa. Die Polen erklärten mit Verweis auf den Terror, nicht einmal die vereinbarte Zahl an Flüchtlingen aufnehmen zu wollen.

 Flüchtlingskrise an der deutsch-österreichischen Grenze

Flüchtlingskrise an der deutsch-österreichischen Grenze

Foto: dpa, awe gfh bwe

Die Terroranschläge von Paris haben eine neue kontroverse Debatte über die Asylpolitik in der großen Koalition ausgelöst. Die Tat war erst wenige Stunden alt, da thematisierte die CSU, ob der unüberschaubare Zustrom von Flüchtlingen nach Europa und insbesondere nach Deutschland die Gefährdungslage erhöhe. Die Ministerpräsidenten von Bayern und Sachsen, Horst Seehofer (CSU) und Stanislaw Tillich (CDU), forderten als Konsequenz aus den Anschlägen stärkere Kontrollen an den europäischen Außengrenzen und an den nationalen Grenzen. Man müsse die Sicherheitsbestimmungen in Deutschland verbessern, forderte Seehofer.

Anderntags legte Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) noch einmal nach: "Die Zeit unkontrollierter Zuwanderung und illegaler Einwanderung kann so nicht weitergehen. Paris ändert alles", twitterte er.

Seehofer und Söder stießen bei der Schwesterpartei CDU auf deutliche Kritik. "Die Tat in Paris ausgerechnet mit dem Asylschutz für diese IS-Opfer und der Zuwanderungsdebatte in Verbindung zu bringen, ist unverantwortlich", sagte CDU-Vizechef Armin Laschet unserer Redaktion.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) positionierte sich klar gegen die Forderungen aus Teilen der CSU: "Ich habe die dringende Bitte als Innenminister und verantwortlicher Politiker in Deutschland, dass jetzt nicht vorschnell ein Bogen zur Debatte um das Thema Flüchtlinge geschlagen wird." Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel warnte davor, Flüchtlinge zu verurteilen. "Wir dürfen sie jetzt nicht darunter leiden lassen, dass sie aus Regionen kommen, aus denen der Terror zu uns in die Welt getragen wird", sagte Gabriel.

Ob einer oder mehrere der Attentäter über die Flüchtlingsroute nach Europa gekommen sind, ist noch nicht abschließend geklärt. Ein toter Terrorist trug einen syrischen Pass bei sich, wobei sich gestern Hinweise verdichteten, dass dieser gefälscht war. Die griechische Regierung teilte mit, der Pass gehöre einem Mann, der Anfang Oktober über die griechische Insel Leros in die EU gekommen sei. Später reiste er nach Serbien, wie das dortige Innenministerium bestätigte. Bei seiner Registrierung wurden ihm auch Fingerabdrücke abgenommen. Diese müssen noch mit denen des toten Attentäters abgeglichen werden, um auszuschließen, dass der Pass nicht etwa gestohlen wurde.

Anschläge in Paris: Die blutige Spur des Terrors
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Tatort Paris – die blutige Spur des Terrors

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Auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek warnte davor, die Terror- und die Flüchtlingsdebatte zu vermengen. "Diese Menschen sind vor Terror geflüchtet, weil sie Frieden, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Deutschland vorfinden", sagte Mazyek unserer Redaktion. "Sie sind nicht jene, die den Terror in sich tragen. Im Gegenteil: Sie suchen Zuflucht vor dem Terror."

Die Polen, die bislang ohnehin kaum Flüchtlinge aufgenommen haben, wollen sich nun angesichts der Terroranschläge gänzlich abschotten. Der künftige polnische Europaminister Konrad Szymanski erklärte in einem Nachrichtenportal, sein Land könne die eingegangenen Verpflichtungen bei der Verteilung von Flüchtlingen nicht einhalten: "Angesichts der tragischen Taten in Paris haben wir nicht die politischen Möglichkeiten, dies umzusetzen."

Den Sicherheitsbehörden waren auch schon vor den Anschlägen von Paris darüber besorgt, dass Terroristen über die Flüchtlingsroute nach Deutschland einreisen könnten. "Wir können dieses Szenario auch für NRW nicht ausschließen, auch wenn wir es für wenig wahrscheinlich halten", hieß es aus Regierungskreisen. Die größte Gefahr sehen die Antiterrorfahnder aber nach wie vor in den Syrien-Heimkehrern. Mindestens 17 Rückkehrer befinden sich in NRW derzeit in Haft, weil von ihnen eine konkrete Gefahr ausgeht.

Die Islamisten versuchen ihrerseits Kapital aus der Flüchtlingskrise zu schlagen: In NRW werben sie gezielt Flüchtlinge an. "Uns sind bereits einige Fälle bekannt, dass Asylsuchende gezielt angesprochen worden sind", sagte ein Ermittler des NRW-Verfassungsschutzes. Die Zahl der bekannten Anwerbungsversuche sei zwar noch nicht hoch, dennoch seien die Mitarbeiter in den Flüchtlingsunterkünften bereits angewiesen worden, achtsam zu sein und verdächtige Personen der Polizei zu melden.

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(brö)
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