Nach Wahl in Berlin Merkel möchte die Zeit zurückdrehen

Berlin · Am Ende von fünf miesen Landtagswahlen drängt das historisch schlechte Ergebnis der CDU in Berlin die Parteichefin dazu, ihre Rhetorik in der Flüchtlingspolitik zu ändern. Tenor: Ich habe verstanden. In der Sache bleibt sie sich treu.

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Foto: dpa, Patrick Seeger

Üblicherweise haben es die meisten Mitglieder der CDU-Führungsgremien nicht eilig, wenn sie montagmittags aus den Sitzungen kommen. Fast immer bleiben sie bei den Journalisten stehen und plaudern kurz, wie die Stimmung war und über welche Themen gesprochen wurde. Am Montag aber, nach den Sitzungen von Präsidium und Vorstand, verließen die Führungsmitglieder das Adenauer-Haus so schnell, als seien sie auf der Flucht. Manch einer warf im Hinausgehen noch hin: "Die Stimmung war schwierig. Das aber wird Ihnen die Kanzlerin gleich erklären."

Merkel nutzte ihren Auftritt vor der Presse für eine kleine Grundsatzrede in Sachen Flüchtlingspolitik. Tenor: Ich habe verstanden. Sie räumte Fehler ein und versprach, dafür zu kämpfen, dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholen werde. "Dem dienen alle Maßnahmen der letzten Monate. Die Wiederholung der Situation will niemand, auch ich nicht." Sie ergänzte: "Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen." Merkel befand zudem, ihren viel zitierten und viel kritisierten Satz "Wir schaffen das" selbst "übertrieben oft" wiederholt zu haben. Damit drehte sie zumindest rhetorisch in der Flüchtlingsfrage bei.

Kommunikationsproblem in der Flüchtlingspolitik

Vorausgegangen waren zwei Gremiensitzungen der Union, in denen es eine offene Aussprache mit vielen kritischen Wortmeldungen gab. Die Frage, ob Merkel nach den zwei Wahl-Debakeln in Mecklenburg-Vorpommern und nun am Wochenende in Berlin noch einmal als Kanzlerkandidatin antreten wird, wurde nach Teilnehmer-Angaben nicht thematisiert. Vielmehr herrsche aber Konsens, dass sie trotz der Kritik aus der Union es wohl tun werde. Merkel sei in den Gremien "kraftvoll, klar, aufgeräumt und analysierend" aufgetreten, sagte ein Teilnehmer.

In den Sitzungen machten mehrere Christdemokraten deutlich, dass die CDU in der Flüchtlingspolitik ein Kommunikationsproblem habe. Nicht die Politik, die seit Monaten auf eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen und mehr innere Sicherheit setze, sei das Problem, sondern ihre Vermittlung.

Bei ihrem anschließenden öffentlichen Auftritt sendete Merkel ihr Signal also zugleich nach außen und nach innen. Wenn eine Ursache für das schlechte Abschneiden der CDU sei, "dass manch einem Richtung, Ziel und Grundüberzeugungen" ihrer Flüchtlingspolitik nicht ausreichend klar geworden sei, so wolle sie sich gerne darum bemühen, sagte Merkel. Mit solchen typischen Merkel-Sentenzen waren nicht alle zufrieden. "Sagen wir so, die Richtung stimmt", meinte ein Teilnehmer hinterher. Es scheine bei ihr angekommen zu sein, dass sie ihre Kommunikation ändern müsse.

Aus Sicht von CSU-Chef Horst Seehofer lässt sich das Vertrauen der Bürger nicht allein durch veränderte Kommunikation zurückholen: "Es wird nicht ausreichen, den Menschen zu sagen, wir haben alles richtig gemacht, wir müssen es euch nur besser erklären."

Hasselfeldt ruft zu Kompromiss auf

In der Sache aber wird sich Merkel treu bleiben. Sie verteidigte ihre Entscheidung von 2015, die festsitzenden Flüchtlinge aus Ungarn ins Land zu lassen. Eine Obergrenze, wie sie Seehofer seit etwa einem Jahr fordert, lehnt die CDU-Chefin weiter ab. Es gelte, die Zahl zu reduzieren, "aber nicht durch eine statische Zahl", sagte sie.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hingegen rief die streitenden Schwesterparteien zu einem Kompromiss auf. "In dem einem Punkt, wo CDU und CSU nicht beisammen sind, müssen wir jetzt zügig eine gemeinsame Sprachregelung finden", mahnte Hasselfeldt. "Ob Obergrenze, Richtwert oder Orientierungsgröße - CDU und CSU haben das gleiche Ziel: die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren und zu begrenzen."

Die Vize-Chefin der CDU, Julia Klöckner, wünscht sich in der Flüchtlingsfrage ein schärferes Profil der CDU in der Öffentlichkeit. "Es geht den Bürgern darum, dass in unserem Land Ordnung herrscht. Wir müssen in der Öffentlichkeit einfach deutlich machen, dass die CDU eben dafür steht", sagte Klöckner unserer Redaktion. Sie fügte hinzu: "Wir müssen auch noch klarer sagen, dass wir gegen die Vollverschleierung sind, und uns bei dieser Frage nicht in juristischen Proseminaren verlieren."

(qua)
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