Analyse zum Verbot der Terrormiliz Der deutsche Kampf gegen den IS-Terror

Berlin · Mit dem harmlos klingenden Vereinsrecht bietet Innenminister Thomas de Maizière (CDU) der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) die Stirn. Doch wie weit reichen die Folgen dieses Verbots in Deutschland?

Isis/IS - Islamischer Staat im Irak und Syrien
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Foto: dpa, sdt moa

Über die Bildschirme des Lagezentrums im Innenministerium flimmern Videos des Grauens. Unterlegt mit Musik, rappt ein Islamist zu Bildern von Explosionen, marschierenden Kämpfern, Gefechten und Hinrichtungen. "Wir ziehen von Stadt zu Stadt", heißt es fröhlich. Nicht auf Arabisch, nicht auf Englisch - die Aufforderung zum Mitmachen ist auf Deutsch, das Zielpublikum somit klar: Junge Muslime in Deutschland, die sich fanatisieren lassen, die angeblich die Erfüllung ihres Lebens im wahren Glauben finden, wenn sie die Erde von den "Kuffar", den Ungläubigen, befreien.

Kuffar, das sind für die Krieger des "Islamischen Staat" (IS) nicht nur Juden und Christen, sondern auch und vor allem gemäßigte Muslime, die sich ihnen in den Weg stellen. Auf den Hinrichtungsvideos sind oft Muslime die Todesopfer. Gleichzeitig versuchen die Anwerbefilme den Kampf für den IS zu einer europäischen Angelegenheit zu machen. Zunächst gehe es darum, die arabische Welt zu befreien, danach gehe es aber auch um Jerusalem, um Rom und die Rückgewinnung Andalusiens.

Videos wie diese haben Innenminister Thomas de Maizière (CDU) bewogen, dem Werben für den Dschihad, dem "Heiligen Krieg", nicht mehr tatenlos zuzusehen. Wenn Filmemacher das Erschießen von gefesselten Zivilisten und gefangenen Soldaten verherrlichen, ist die Grenze der Meinungsfreiheit überschritten. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung endet dort, wo es um den Aufruf zum Töten, Unterdrücken, Vertreiben und Zerstören der Völkerfreundschaft geht.

Die wichtigsten politischen Akteure im Irak
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Foto: ap

Mit entschiedener Miene tritt der Minister vor die Kameras, wartet auf das Zeichen, dass nun die Liveübertragung läuft, und verkündet: "Als Bundesminister des Innern verbiete ich mit sofortiger Wirkung die Betätigung der Terrororganisation ,Islamischer Staat' in Deutschland." In der Bundesrepublik gibt es zwar keinen Verein mit dem Namen "Islamischer Staat". Die Terrororganisation gilt aber als ein ausländischer Verein im Sinne des Gesetzes und kann daher nach dem deutschen Vereinsgesetz verboten werden.

De Maizière markige Worte sollen kraftvolles Handeln signalisieren. Es klingt, als würden zeitgleich überall Sondereinsatzkommandos und Fahnder ausschwärmen, um die Terrororganisation zu zerschlagen und die Täter hinter Gitter zu bringen. Doch gleich der zweite erklärende Satz verringert die Fallhöhe seiner Entschlossenheit. "Dieses Verbot umfasst jegliche Beteiligung an dieser Organisation, ob in sozialen Medien oder bei Demonstrationen." Keine SEK-Einsätze, keine Razzien, keine Festnahmen. Jedenfalls noch nicht. Vielmehr Hinweise an Internet-Anbieter, auf bestimmte Bilder und Aufrufe zu achten und diese möglichst zu löschen, und an die Polizei, künftig bei Demonstrationen die Embleme des "Islamischen Staates" einzukassieren.

Gerade dieses IS-Symbol-Verbot trug dem Vernehmen nach dazu bei, dass das Innenministerium mehr Zeit brauchte als erwartet: Der IS präsentiert auf seiner schwarzen Flagge nämlich eine Kombination aus Kalifatsbezeichnungen, Prophetensiegel und der ersten Sure des Koran. Intensiv prüften die Juristen deshalb, ob durch ein Verbot die religiösen Gefühle der Muslime verletzt werden. Ergebnis: Diese Symbolik wird seit zehn Jahren nur von der Isis, dem jetzigen IS, verwendet.

Irak: Zehntausende Jesiden auf der Flucht
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Gleich sieben ähnliche, aber auch deutlich unterschiedliche Logos werden von dem Verbot erfasst. Und damit lässt sich auch schon ein Problem bei der Umsetzung erahnen: Die IS-Sympathisanten dürften als nächstes mit neuen Varianten von Aufschriften auf schwarzen Fahnen experimentieren, um die Sicherheitskräfte herauszufordern, so wie es die Polizei seit Jahrzehnten von den Neonazis bei verbotenen NS-Zeichen gewohnt ist. Zudem garantiert auch das Löschen eines terrorverherrlichenden Postings im Internet oder das Verschwindenlassen einer einschlägigen Internetplattform nicht, dass am nächsten Morgen Dutzende neue online sind.

Der Schritt de Maizières ähnelt einem Stoppzeichen. Es ist das Signal, der wachsenden Bedrohung nicht tatenlos zuzusehen und den Strafverfolgungsbehörden ein Instrument in die Hand zu geben, um IS-Sympathisanten auch aus dem Verkehr ziehen zu können. Verstöße gegen das Betätigungsverbot können mit Geldstrafen und Haftstrafen bis zu zwei Jahren geahndet werden. Dahinter steht die Absicht, die offensichtlich sehr erfolgreiche Rekrutierung von neuen Dschihadisten zu unterbrechen.

Nach neuesten Zahlen sind bereits 400 Islamisten aus Deutschland in den Krieg vor allem im Irak und Syrien gezogen, gut 100 sollen auch schon wieder zurückgekehrt sein. Erweckten Landesinnenminister in der Vergangenheit den Eindruck, diese Gefahr weitgehend im Griff zu haben, räumte de Maizière ein: "Wir wissen nicht, was die Islamisten tun." Es könne sein, dass sie Anschläge verübten. Zwar seien viele frustriert zurückgekehrt, andere hätten aber gelernt zu hassen und verfügten über Kampferfahrung.

IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi - der unsichtbare Scheich
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Dass sowohl der Salafismus radikalislamischer Prägung als auch die Zahl junger Islamisten, die in den Dschihad ziehen, unverändert anwachsen, ist nach de Maizières Erkenntnissen kein Zufall: "Die Radikalisierung erfolgt fast ausschließlich aus der salafistischen Szene heraus." Salafistische Wortführer testeten ständig aus, wie weit sie in ihren Aufrufen gehen können, ohne sich strafbar zu machen. Das Betätigungs- und- Unterstützungsverbot für den IS setzt ihnen jetzt eine klare Grenze und macht es auch den Behörden leichter, Hassprediger dingfest zu machen.

Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek, begrüßt deshalb auch, dass der Minister von Extremisten spricht, die die Werte der Religion missbrauchten. Doch er verweist auch auf den Bedarf von mehr Aussteiger- und Hilfsprogrammen: "Zukünftig brauchen wir mehr flankierende Maßnahmen in Richtung Prävention, anstatt fast nur auf Repression zu setzen."

(may-)
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