Mainzer Staatstheater singt gegen die AfD Erst "Ode an die Freude", dann Strafanzeige

Mainz · Es gibt Theater ums Theater: 120 Mitarbeiter des Staatstheaters Mainz haben während einer AfD-Kundgebung so laut gesungen, dass die Parteianhänger ihre Chefin Frauke Petry nicht mehr richtig verstehen konnten. Die Polizei Mainz fand die Aktion unerhört und hat Anzeige erstattet. Ein Anruf bei der Sprecherin des Staatstheaters.

 Mit lautem Gesang störten Mitarbeiter des Staatstheaters Mainz eine AfD-Kundgebung.

Mit lautem Gesang störten Mitarbeiter des Staatstheaters Mainz eine AfD-Kundgebung.

Foto: dpa, fve lof

Frau Fritzinger, Sie haben die AfD mit ihrem Gesang sprachlos gemacht. Wie?

Ich habe mir zumindest Mühe gegeben, aber an unsere professionellen Sänger aus dem Ensemble komme ich nicht ran. Wir haben uns mit 120 Mitarbeitern im Foyer des Theaters getroffen. Die Fenster gehen ja raus auf den Gutenbergplatz, wo die AfD-Versammlung war. In diesem Foyer haben wir gemeinsam Beethovens "Ode an die Freude" gesungen. Wir wollten mit dieser freiwilligen Aktion ein Zeichen setzen.

Was für ein Zeichen?

Wir mussten direkt vor unserer Haustür die Kundgebung einer Partei ertragen, die die Ängste vieler Menschen ausnutzt, um daraus Profit zu schlagen. Das haben wir als Provokation empfunden. Wir finden deren Thesen nur schwer erträglich und hatten das dringende Bedürfnis, Stellung zu beziehen. Das Theater ist ja ein Teil der kritischen Öffentlichkeit.

Warum haben Sie denn nicht einfach an einer Gegendemonstration teilgenommen?

Wir unterstützen diese Demonstrationen, aber wir wollten mit unseren Mitteln Position beziehen, mit den Mitteln der Musik und mit den Mitteln der Aufklärung.

Warum ausgerechnet die "Ode an die Freude"?

Dieses Musikstück wird von einem unheimlich großen Optimismus getragen. Es sind gerade schwierige Zeiten, viele sehen sich vor gesellschaftliche Herausforderungen gestellt. Es gibt Dinge, für die wir keine Grammatik haben. Unser Ziel war, einen gemeinsamen Optimismus zu entwickeln. Eine neue Kraft und Stärke. Zu zeigen, dass man mit dieser Situation umgehen kann. Das alles vermittelt dieses Lied.

Wie sind die Reaktionen auf Ihre Aktion?

Wir bekommen unglaulich viel Unterstützung, viel Lob. Aber wir sind gleichzeitig auch mitten in einem Shitstorm. Da kommen bösartige E-Mails und auch Anrufe unangenehmer Art, die man wirklich nicht zitieren kann.

Die Polizei hat Strafanzeige gegen Sie erstattet. Begründung: "Wer eine genehmigte Versammlung grob stört, macht sich strafbar". Was sagen Sie dazu?

Das hat uns verblüfft. Es hätte uns weniger erstaunt, wenn die AfD Anzeige erstattet hätte. Frau Petry hat schon ziemlich konsterniert geguckt. Die Anzeige der Polizei finden wir ungewöhnlich, aber wir nehmen das mit Gelassenheit zur Kenntnis. Unsere Botschaft ist in der Öffentlichkeit angekommen.

Vassili Golod führte das Gespräch.

(gol)
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