Mecklenburg-Vorpommern "Finanzamt bescheissen ist Grundpflicht" — diese AfD-Politiker wollen in den Landtag

Düsseldorf · Multikulti führt in den Bürgerkrieg, Flüchtlinge laufen vor ihren Problemen weg und Angriffe auf Mitarbeiter des Jobcenters sind "ein spontaner Einspruch gegen Ungerechtigkeit". Wenn am 4. September in Mecklenburg-Vorpommern der neue Landtag gewählt wird, könnte die AfD die stärkste Fraktion werden — auch mit diesen Kandidaten.

Die AfD traut sich vieles zu. Der Gang übers Wasser gehört auch in Stralsund noch nicht dazu.

Die AfD traut sich vieles zu. Der Gang übers Wasser gehört auch in Stralsund noch nicht dazu.

Foto: dpa

Es ist keine Frage mehr, ob die AfD in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern einzieht. Es ist nur noch die Frage, mit wie vielen Kandidaten sie dies tut. Am 4. September wird gewählt, und nach aktuellen Umfragen kommt die AfD auf 19 Prozent, in Reichweite von CDU (25 Prozent) und SPD (22 Prozent), die momentan unter Ministerpräsident Erwin Sellering die Regierung bilden. Ausgeschlossen ist es nicht, dass die AfD erstmals die stärkste Fraktion eines Landtags stellt.

Dass AfD-Politiker auf Facebook gerne mal provozieren, zeigen die Postings von Björn Höcke und Beatrix von Storch regelmäßig. Doch auch unter den Landtagskandidaten der AfD in Mecklenburg-Vorpommern äußern sich einige zumindest fragwürdig - eine Auswahl.

Anmerkung: Rechtschreibung und Zeichensetzung der Zitate wie im Original. Wir können nicht ausschließen, dass einige Postings im Laufe des Tages gelöscht werden und die Links ins Leere laufen. Es gibt allerdings von allen Postings Screenshots.

Gewalt ist voll okay

Wir alle lassen wohl mal ein bis zwei Euro in unserer Steuererklärung weg. AfD-Kandidat, DJ und Party-Veranstalter Jens Kühnel (42) fordert da noch mehr Ehrgeiz. Als ein Radiosender auf Facebook verkündet, dass Steuerbetrüger Hoeneß vorzeitig das Gefängnis verlassen darf, fordert Kühnel: "Das Finanzamt zu bescheissen ist aus meiner Sicht keine Straftat. Das ist die Grundpflicht eines jeden der Bundesrepublik in Deutschland." Begründung: "Erstens ist fraglich ob das Steuersystem gesetzlich so legitim ist, und zweitens werden diese Steuern genommen um auch die Diaten der Politiker zu zahlen die nicht meine sind. Und drittens schmeißen wir das Geld für alle anderen aus dem Fenster anstatt es für uns selbst das eigene Volk zu nutzen." Von den Steuern werden auch die Diäten von Landtagspolitikern der AfD gezahlt.

Kühnel hat insgesamt eine ungewöhnliche Vorstellung davon, was kriminell ist und was nicht. Als Focus Online berichtet, dass ein Mann eine Sachbearbeiterin im Jobcenter mit dem Hammer geschlagen hat, hält sich Kühnels Empörung in Grenzen: "Das war kein Übergriff, sondern ein spontaner Einspruch gegen Soziale Ungerechtigkeit und Willkür."

AfD-Landtagskandidat: "Das Finanzamt bescheissen ist Grundpflicht"
Foto: Screenshot Facebook

Schweinefleisch muss Pflicht werden

Lächelst du noch oder provozierst du schon? Die Rentnerin Christel Weißig (70) erträgt Asylbewerber ohne trauriges Gesicht nicht. In einem Artikel ist zu lesen, wie viel Geld Flüchtlinge vom Staat bekommen. Auf dem Foto dazu sind zwei lächelnde Flüchtlinge an einem Amts-Schalter zu sehen. Weißig kommentiert: "Da hilft nur ein Generalstreik,das Grinsen alleine, beim kassieren ist schon obzön".

Wenn Weißig etwas zu sagen hätte in diesem Land, dann wäre Schluss mit der Marginalisierung des Schweinefleisches. Dass laut eines Zeitungsberichts die Stadt Frankfurt eben dieses für ihre Kitas abbestellt hat, stößt ihr übel auf. Sie hat aber eine Idee: "Schweinefleisch essen gehört zu unsere Kultur und sollte bei Grenzübertritt im Rahmen der Intigration zum Pflicht-Essen gehören". Ob Weißigs "Intigration” auch in den Duden intrigiert wird, ist noch nicht abzusehen.

Als Weißig versucht, Rassismus zu definieren, spielt ihr — vermutlich — die Autokorrektur des Handys einen kleinen Streich: "Rassismus ist nicht,wenn man sein Land von Scheinasylanten Kriminelle Gangs von ein Überangebot von Moschen und eine Zersetzung der Christlichen Kultur retten möchte."

AfD-Landtagskandidat: "Das Finanzamt bescheissen ist Grundpflicht"
Foto: Screenshot Facebook

Alles Gesetzesbrecher und Invasoren

Der Grat zwischen Selbstbewusstsein und Eigenlob ist schmal — Petra Federau (46) versucht nicht einmal, das Gleichgewicht zu halten. Die von ihr mit dem Schalk im Nacken gegründete "Stiftung Politikertest” gibt ihr vier mal die Note 1: für Rückgrat, Volksnähe, Menschlichkeit — und Mut. In diesem Punkt ist das "Sehr gut" auf jeden Fall gerechtfertigt.

AfD-Landtagskandidat: "Das Finanzamt bescheissen ist Grundpflicht"
Foto: Screenshot Facebook

Auch sonst fällt die Immobilienmaklerin durch einen Mangel an sachlichen Bemerkungen auf. Dass AfD-Politiker einigen Flüchtlingen kriminelle Absichten unterstellen, ist ja nichts Neues — Federau macht aber einfach gar keinen Unterschied mehr zwischen Flüchtling und Verbrecher. Schüler schlüpften für einen Tag in die Rolle von Flüchtlingen, eine Website berichtete unter der Überschrift "Flüchtling sein - für einen Tag". Federau kritisiert die Überschrift via Facebook dezent: "Es müsste eigentlich heißen: 'Gesetzesbrecher und Invasor für einen Tag.'"

Es gibt ja gar keine Nazis

In den Augen besorgter Bürger lassen sich Flüchtlinge entweder von uns Steuerzahlern aushalten - oder sie nehmen uns die Arbeitsplätze weg. Dass der Städtebund sich Flüchtlinge als Polizisten wünscht, gefällt dem Fachinformatiker Andreas Rösler (43) überhaupt nicht: "Flüchtlinge, die vor Problemen in ihrem Land weglaufen und ihre Frauen und Kinder schutzlos zurücklassen, sollen hier für Schutz und Ordnung sorgen?" Statt von Problemen sollte man vielleicht besser von Krieg sprechen und statt von "schutzlos zurücklassen" vielleicht lieber von "vorgehen", weil der Weg übers Meer ziemlich beschwerlich ist.

Flüchtlinge mag Herr Rösler also schon mal nicht so. Er mag auch Volker Beck von den Grünen nicht so. Als dieser in der Türkei bei einer Schwulen-Demo festgenommen wird, fordert Rösler: "Erdogan behalte ihn, kein #ComeBeck!"

Rösler hat auch nichts gegen eine deftige Verschwörungstheorie einzuwenden — solange sie eben seine Position unterstützt: Weil sich herausstellt, dass nicht Nazis einen Anschlag in einer geplanten Asylbewerberunterkunft verübt haben, hat er einen ganz anderen Verdacht: "Wie viele Hakenkreuzschmierereien und Brandstiftungen werden nicht durch 'Rechte', sondern durch Linksextremisten und V-Leute gemacht? Irgendwie muss man ja die Statistik und Stimmung gegen 'Rechts' erzeugen und aufrecht erhalten." Genau — es gibt ja gar keine Nazis, außer die, die vom Staat bezahlt werden.

Alles Terroristen!

Menschen haben unterschiedliche Begriffe für dieselben Dinge. Der eine sagt zu Ronaldo "Fußballgott", der andere "Arschgesicht". Der eine nennt Menschen, die eine Abschiebung verhindern, indem sie sich vor das Zimmer der Familie stellen, Aktivisten. Die anderen, zum Beispiel der Steuerfachangestellte Sandro Hersel (31) sehen das eben nicht so: "Aktivisten? Terroristen!" Okay, Terroristen schießen sonst andere Leute über den Haufen, aber Sprache wehrt sich eben nicht.

Multikulti ist Bürgerkrieg

Holger Arppe (43) ist nicht irgendein Hinterbänkler, der ohnehin nicht in den Landtag einziehen wird. Auf der Landesliste der AfD steht er auf dem todsicheren Platz 3. Dass die multikulturelle Gesellschaft nicht Jedermanns Sache ist und schon gar nicht die der AfD — das dürfte mittlerweile bekannt sein. Neu ist aber, warum die multikulturelle Gesellschaft abzulehnen ist. Arppe weiß es: "Die Geschichte lehrt uns: eine multikulturelle Gesellschaft ist ein Gemeinwesen auf dem Weg in den Bürgerkrieg." Dass die multikulturellen USA ihren letzten Bürgerkrieg hatten, noch bevor das Land richtig multikulturell wurde... lassen wir das.

AfD-Landtagskandidat: "Das Finanzamt bescheissen ist Grundpflicht"
Foto: Screenshot Facebook

Mit streitbaren Aussagen hat Arppe so seine Erfahrungen gemacht. 2010 bezeichnete er die britischen Inseln als Ort, den man für die Muslime der EU als Quarantäne-Insel nutzen könne. Das Amtsgericht Rostock verurteilte ihn deshalb wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 2700 Euro.

(seda)
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