Analyse zum Fall Eckart von Klaeden Deutschland ist die Republik der Lobbyisten

Berlin · Der künftige Repräsentant des Daimler-Konzerns, Eckart von Klaeden, hat als Staatsminister im Kanzleramt wichtige Unterlagen über die Auto-Politik erhalten. Ein Grund zur Entrüstung? Wie groß ist der Einfluss der Lobbyisten?

 Eckardt von Klaeden wird Ende des Jahres als Cheflobbyist zum Autokonzern Daimler wechseln.

Eckardt von Klaeden wird Ende des Jahres als Cheflobbyist zum Autokonzern Daimler wechseln.

Foto: dpa, tb_sv tmk

"Geschmäckle", heißt es im Land der großen Autobauer, wenn eine Geschichte formal in Ordnung zu sein scheint, sie aber nicht über jeden Verdacht erhaben ist. Und so war auch die Ende Mai bekannt gewordene Top-Personalie "beim Daimler" Stoff für die üblichen Verdächtigungen: Eckart von Klaeden (CDU), Merkels Staatsminister, wechselt aus der Regierungszentrale an die Spitze der Hauptstadtrepräsentanz des Automobilbauers.

Und nun kommt heraus, dass er noch Vorlagen zur internen Positionierung der Regierung in Sachen Brüsseler Autopolitik bekommen hat, als er mit dem Konzern bereits im Wechsel-Gespräch gewesen sein muss.

Skandal?

"Skandal", ruft der Verkehrsclub Deutschland. Doch Regierungssprecher Steffen Seibert lässt das kalt. Er bestätigt zwar, dass der jeweilige Sachstand zu den künftigen CO2-Vorgaben auch von Klaeden zur Kenntnis gegeben worden sei. Aber: "Er war nicht an Entscheidungen beteiligt, hat auf keine Entscheidungen hingewirkt oder Entscheidungen getroffen, die den Automobilsektor beträfen."

Die Lobbyarbeit der Autobranche kommt dennoch aus den Schlagzeilen nicht heraus. So war es ein Leichtes, zwischen dem erfolgreichen Ausbremsen der EU-Klimavorgaben zu ungunsten vieler deutscher Automodelle und jenen üppigen Parteispenden eben jener davon profitierenden Anteilseigner an die CDU nicht nur einen zeitlichen Zusammenhang herzustellen. Die nähere Betrachtung ergab dann aber, dass die Kanzlerin Angela Merkel kaum käuflich sein dürfte, sondern das Eintreten für die Interessen der deutschen Autoindustrie zu ihren Grundüberzeugungen gehört — so wie bei allen Amtsvorgängern auch.

302 Milliarden Euro

Die schiere Größe legt das nahe.302 Milliarden Euro umfasst der Bundeshaushalt, mit dem die gesamte Politik von den Renten über die Straßen bis hin zum Kindergeld bezahlt wird. Der Umsatz der Autobranche beläuft sich demgegenüber auf 360 Milliarden nur im Inland. Von den 13,6 Millionen Autos, die deutsche Firmen weltweit produzieren, entfallen 5,4 Millionen auf das Inland, die meisten entstehen inzwischen im Ausland. Was Merkel & Co. flankierend steuern, hat somit globale Bedeutung.

Von Klaeden ist nicht der erste mit 1a-Kontakten, den sich die Autobranche für ihre Lobby-Arbeit sichert. Sein Vorgänger im Amt war Martin Jäger, vormals Pressechef im Auswärtigen Amt mit weltweiter Vernetzung. Zu den herausragenden Strippenziehern mit Regierungserfahrung gehört auch der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) selbst: Matthias Wissmann war von 1993 an Forschungsminister und bis 1998 Verkehrsminister im Kabinett von Helmut Kohl. Wenn er als Auto-Präsident Anregungen ans Kanzleramt schickt, beginnen die Briefe entsprechend: "Liebe Angela..."

Lobbyisten Schlange

Während der Koalitionsverhandlungen haben die Heerscharen von Lobbyisten in Berlin Hochkonjunktur. Sie werden gut dafür bezahlt, politische Entscheidungen, die den Interessen ihrer Branche zuwider laufen, zu verhindern oder mindestens zu beeinflussen. Es vergeht derzeit kaum eine Stunde, in der nicht ein Verband an die Verhandler appelliert, bestimmte Vorhaben zu unternehmen oder zu unterlassen.

Und da sämtliche Politikbereiche von Verbänden regelrecht durchsetzt sind, ist es der Normalfall, dass bei den Politikern Lobbyisten Schlange stehen, und zwar sowohl aus dem Pro- wie aus dem Contra-Lager. Das relativiert natürlich den Einfluss des Einzelnen, macht die Sache aber auch zusätzlich spannend, weil Beeinflussungsversuche der Akteure nur dann wirken können, wenn sie von den besseren Argumenten unterfüttert sind.

So erreicht der Gesetzgeber bei allen Vorhaben auch den gewünschten Praxisbezug. Denn was nutzt den einzelnen Branchen ein im stillen Kämmerlein ohne jede Lobbyarbeit zustande gekommenes Gesetz, wenn es in der praktischen Umsetzung vollkommen unpraktikabel ist und neue Probleme schafft statt sie zu lösen?

Deshalb hat der Bundestag das Lobbywesen sogar institutionalisiert. Wer in Berlin mitreden will, muss sich in die so genannte "Lobbyliste" des Parlamentes eintragen. Die umfasst aktuell 2142 Interessenverbände, von A wie Apothekerverbänden bis Z wie dem Zweckverband ostdeutscher Bauverbände. Allein unter dem Stichwort "Auto" finden sich zwölf Lobby-Einträge, darunter auch solche, die eher von einem positiven Image begleitet werden, wie der "Bundesverband Solare Mobilität". Aber im Kern will der Kleine dasselbe wie der Große: Entscheidungen in seine Richtung biegen.

VDA entwirft Pläne

Ohne Zweifel gibt es dabei mehr oder weniger erfolgreiche Bemühungen. Von einer besonders gelungenen Intervention berichtet die Deutsche Umwelthilfe. Sie hat Dokumente gesammelt, die beweisen sollen, dass die neue Umweltkennzeichnung für Pkw in Wirklichkeit vom VDA entworfen wurde. Deshalb orientieren sich die Werte nicht an der absoluten Schadstoff- und Energiebilanz eines Fahrzeuges allein, sondern rechnen das Fahrzeuggewicht mit hinein. Und so kann ein schwerer Spritfresser plötzlich als umweltfreundlicher Engel erscheinen.

Die ursprüngliche politische Absicht, dem Verbraucher Entscheidungshilfen für den Autokauf in Richtung Energieeffizienz zu geben, führte durch Intervention der Autoindustrie letztlich zu keinen peinlichen Auswirkungen für Umweltsündermodelle. Damit nicht genug, erkannten die Umweltschützer sogar Hinweise darauf, dass es dem VDA gelang, an der internen Abstimmung der beteiligten Ministerien mitzuwirken.

Für die lobbyismuskritische Organisation Lobby Control ist das ein weiterer Grund, den Lobbyismus in Deutschland zu reglementieren. Lobby Control ist übrigens aktuell der Eintrag Nr. 1529 auf der Bundestagsliste derer, die die Politik zu beeinflussen versuchen.

(may-)
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