Analyse Deutsche befürworten Kriegseinsatz in Syrien

Berlin · Die Einstellung der Bürger zu Einsätzen der Bundeswehr im Ausland hat sich gedreht. Die Anschlagsserie von Paris war ein Wendepunkt.

Auch wenn es nicht jeder Politiker aussprechen mag: In Syrien steht der Bundeswehr ein Kriegseinsatz bevor. Die traditionell pazifistisch eingestellte deutsche Öffentlichkeit steht dennoch mehrheitlich hinter dem Vorhaben der Bundesregierung. Dem ARD-"Deutschland-Trend" zufolge sind 58 Prozent der Bürger der Ansicht, dass Deutschland nach den Terroranschlägen von Paris den Franzosen konsequent militärisch Beistand leisten sollte. Zu einem etwas anderem Meinungsbild kommt allerdings eine Emnid-Umfrage im Auftrag des Senders N 24. Demnach halten 47 Prozent den Einsatz für falsch und nur 46 Prozent für richtig. Eine klare Ablehnung machen die Meinungsforscher aber nicht aus.

Für den Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte ist das der entscheidende Punkt in der Debatte um den Syrien-Einsatz. Aus seiner Sicht hat sich die Einstellung der Deutschen zu solchen Einsätzen grundsätzlich gedreht. Als Wendepunkt sieht er die Rede von Bundespräsident Joachim Gauck vor knapp zwei Jahren bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Damals forderte Gauck eine neue Verantwortung Deutschlands in der Welt. Seitdem war eine solche außenpolitische Führungsrolle der Deutschen mehrfach gefragt, allerdings nicht mit bewaffneten Einsätzen, sondern mit diplomatischer Kunst: etwa in der Ukraine-Krise und bei den Iran-Verhandlungen. Nun sollen die Deutschen auch in den Kampf gegen die Terrormiliz IS ziehen, was wiederum die Position des Westens bei dem Versuch stärken wird, über Verhandlungen eine politische Lösung in Syrien zu finden. Korte sieht zudem die Terroranschläge von Paris als ein wichtiges Kriterium, warum ein großer Teil der Bevölkerung der Kriegsbeteiligung in Syrien zustimmt. Der Einsatz werde auch dann noch Zustimmung finden, wenn er länger dauere und robuster gerate als bislang geplant. "Es gibt eine Bereitschaft zur Verteidigung der europäischen Werte", sagt Korte.

Seit der Wiedervereinigung gehen die Deutschen in kleinen Schritten den Weg, der ihre außenpolitische und militärische Bedeutung langsam ihrer ökonomischen Macht angleicht. Ausgerechnet die erste rot-grüne Bundesregierung schickte die Bundeswehr auf den Balkan in ihren ersten bewaffneten Konflikt - und das ohne Mandat der UN. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA folgte der Afghanistan-Einsatz, der nun noch einmal verlängert werden muss. Der damalige Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) argumentierte, Deutschlands Sicherheit werde am Hindukusch verteidigt. Das war eine neue Logik in der Sicherheitsfrage, deren Argumentationslinie im Prinzip auch der Syrien-Einsatz folgt.

Doch dieses Argument lässt die deutsche Öffentlichkeit längst nicht für alle Fälle gelten. So gewann Gerhard Schröder die Bundestagswahl 2002 auch wegen seines klaren Nein zum Irak-Krieg. Die deutsche Haltung in dieser Frage erwies sich im Nachhinein als rational.

(qua)
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