Kirch-Prozess Ein Alptraum für die Deutsche Bank

Frankfurt/M. · Die Pleite des Medienunternehmers Leo Kirch lässt das größte deutsche Geldhaus nicht los. Ende April stehen fünf amtierende und frühere Manager wegen des Verdachts auf versuchten Prozessbetrug vor Gericht. Auch Jürgen Fitschen muss Fragen beantworten.

 Jürgen Fitschen weist die Vorwürfe kategorisch zurück.

Jürgen Fitschen weist die Vorwürfe kategorisch zurück.

Foto: dpa, bom fdt sbh era

Seit mehr als dreieinhalb Jahren ist Leo Kirch tot. Manchen gelingt es, sich den Mann ins Gedächtnis zu rufen, der als kleiner Filmrechtehändler anfing, dann das große Rad in der deutschen Medienlandschaft drehte, der das Bezahlfernsehen hierzulande salonfähig machte und den Geldhahn für die Fußball-Bundesliga aufdrehte, weil er Milliarden für die Übertragungsrechte zahlte. Einige werden sich erinnern, andere nicht.

Die Deutsche Bank wird Leo Kirch für lange Zeit nicht vergessen. Kirchs Firmenpleite 2000 und deren Umstände verfolgen Deutschlands größtes Geldhaus seit Jahren, und sie bewirken nun, dass sich amtierende und ehemalige Führungskräfte der Bank vermutlich ab Ende April in einem der spektakulärsten Wirtschaftsstrafprozesse der Nachkriegsgeschichte vor Gericht verantworten müssen. Es geht um den Verdacht auf versuchten Prozessbetrug in einem besonders schweren Fall und um mögliche uneidliche Falschaussage.

Anklage wegen Prozessbetrugs

Der amtierende Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen, seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie der frühere Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Börsig und Ex-Vorstand Tessen von Heydebreck sollen im Zusammenwirken versucht haben, Schadenersatzzahlungen an die Erben von Leo Kirch zu verhindern. Die Anklage gegen Fitschen, Ackermann, Breuer und Börsig lautete im vergangenen Jahr auf Prozessbetrug, gegen Börsig und von Heydebreck zudem auf uneidliche Falschaussage. Die juristische Begründung für den Unterschied zwischen beiden Vorwürfen: Wegen uneidlicher Falschaussage können nur Zeugen belangt werden. Breuer selbst war im Kirch-Prozess direkt betroffen; Ackermann und Fitschen sagten in einer Anhörung als Vertreter der Bank aus, nicht als Zeugen.

Das Unternehmen reagierte auf die gestrige Mitteilung durch das Landgericht München so, wie es Konzerne in solchen Fällen häufig tun - nämlich wortkarg. "Die Deutsche Bank kommentiert grundsätzlich laufende Verfahren nicht. Für alle aktuellen und ehemaligen Vorstandsmitglieder der Bank gilt die Unschuldsvermutung", sagte ein Sprecher.

Zusammenbruch der Kirch-Imperiums

Vermutlich kann man als Mitarbeiter der Bank den Begriff "Kirch-Affäre" irgendwann nicht mehr hören. Der Alptraum für die Deutsche Bank nimmt seinen Anfang am 3. Februar 2002. Damals gibt Vorstandssprecher Rolf Breuer dem TV-Sender Bloomberg ein Interview und beurteilt die Kreditwürdigkeit des Firmenkunden Leo Kirch mit einem verhängnisvollen Satz: "Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen." Diese Formulierung mag nicht der Auslöser für Kirchs Finanzprobleme gewesen sein, aber sie gilt in der Folgezeit als ausschlaggebend für den späteren Zusammenbruch des gesamten Kirch-Imperiums. Es kommt eine Prozesslawine ins Rollen, an deren Ende die Deutsche Bank den Erben des Medienunternehmers fast eine Milliarde Euro zahlt.

Doch sie wird den Alptraum nicht los, weil die jetzt angeklagten Manager im Zivilprozess Dinge gesagt haben, die strafrechtlich fragwürdig sind. Eine Zivilkammer des Oberlandesgerichts München hat Ende 2012 geurteilt, dass "die Beklagten im Verfahren nachweislich falsch vorgetragen" haben. Fitschens Aussage sei "schlicht inkonsistent", urteilte damals der Vorsitzende Richter Guido Kotschy.

Hiobsbotschaft für die Deutsche Bank

Solche Äußerungen von Richtern machen, auch wenn sie in einem anderen Verfahren gemacht worden sind, die Ausgangslage für die Banker vor dem Beginn des Strafprozesses nicht gerade leichter. Angesetzt sind vergleichsweise bescheidende 13 Tage bis Ende August. Doch es erscheint schwer vorstellbar, dass im Sommer alle Fragen eines Verfahrens geklärt sein könnten, das die streitenden Parteien deutlich mehr als ein Jahrzehnt beschäftigt hat und dessen Anklageschrift nun immerhin 627 Seiten ausmacht. "Ob das Verfahren in dieser Zeit abgeschlossen werden kann, ist noch nicht abzusehen", sagte gestern eine Gerichtssprecherin.

Für die Deutsche Bank ist die Zulassung der Anklage eine weitere Hiobsbotschaft nach dem Gezerre mit der Kirch-Seite, nach endlosen Diskussionen um die Beteiligung an der Manipulation von Zinssätzen an den Kapitalmärkten, nach Vorwürfen des Devisen- und Steuerbetrugs. Für alle Rechtsstreitigkeiten zusammen hat die Bank schon Milliarden zurückgestellt.

Immenser Imageschaden

Sie hat sich zwar umgekehrt Milliarden über eine Kapitalerhöhung besorgt und somit ein dickes Polster, und sie hat jüngst auch für 2014 einen Gewinn präsentiert, der zweieinhalbmal so hoch war wie im Jahr zuvor. Doch sie kaut immer noch an den juristischen Altlasten. Der ökonomische Erfolg kann nicht übertünchen, dass das gedachte Aushängeschild der deutschen Geldwirtschaft zum Dauerthema der Gerichtsbarkeit geworden ist.

Dem Image schadet das immens - genauso wie dem von Jürgen Fitschen. Der Manager galt im Mai 2012 zu Beginn seiner Amtszeit als glaubwürdiger Vertreter des von der Deutschen Bank propagierten Kulturwandels. Er hat wie die anderen Beteiligten stets seine Unschuld beteuert und dem Vernehmen nach sogar ein Angebot der Staatsanwaltschaft abgelehnt, die Ermittlungen gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen.

Wenn seine Strategie aufgeht, endet die Deutsche-Bank-Vorstandskarriere des gebürtigen Niedersachsen 2017 unbefleckt. Eine echte Strafe (also keine Einstellung gegen Geldauflage) dagegen würde zwar nicht die Bank gefährden, aber Fitschens persönliche Verdienste rückten dann in den Hintergrund. Und wenn das Landgericht München ihn nicht als Einzigen verurteilen würde, wäre die Geschichte womöglich um ein Novum reicher - eine Bank mit drei vorbestraften Ex-Chefs.

(RP)
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