Jens Spahn "Der Koalitionsvertrag ist überholt"

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn appelliert an seine Partei, sich angesichts der Terroranschläge und der Flüchtlingskrise neu aufzustellen.

Herr Spahn, was macht die Flüchtlingskrise mit Deutschland?

Spahn Die Gesellschaft ist politisiert wie lange nicht, jeder diskutiert darüber. Dabei habe ich die Sorge, dass wir durch die aufgeheizte Stimmung einen Rechtsruck erleben. Deutschland und auch die CDU sind in den letzten zehn Jahren spürbar liberaler und weltoffener geworden. Das steht nun auf dem Spiel.

Haben die Flüchtlingskrise und der Terrorismus etwas miteinander zu tun?

Spahn Klar, viele fliehen genau vor diesen islamistischen Terroristen, da wäre es falsch, Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen. Aber natürlich ist es ein Sicherheitsrisiko, wenn wir nicht wissen, wer da eigentlich in unser Land kommt. Und wir müssen wachsam vorbeugen, dass die jungen Männer, die als Einwanderer hier bei uns mit einer völlig anderen Kultur konfrontiert werden, nicht für salafistische und islamistische Parolen anfällig werden. Da haben auch die Moscheen und die muslimischen Verbände in Deutschland eine Aufgabe, da muss mehr kommen als die stets gleichen Pressestatements. In jeder Kirche, in jeder Synagoge und in jeder Moschee müsste in diesen Tagen über den Wert der Religionsfreiheit gepredigt werden. Und wir als Koalition haben zu klären, ob wir die Integration von Hunderttausenden Flüchtlingen mit den Verabredungen im Koalitionsvertrag fördern oder erschweren.

Sie stellen wegen der Flüchtlingskrise den Koalitionsvertrag in Frage?

Spahn Dieser Koalitionsvertrag ist unter völlig anderen Umständen gemacht worden, die Zeit ist über ihn hinweggegangen. Integration gelingt nur über Arbeit. Wir brauchen viel mehr Jobs für Geringqualifizierte, etwa im Dienstleistungssektor. Es kommen ja nicht nur Ärzte und Ingenieure. Dazu passt ganz und gar nicht, dass die SPD immer neue Regulierungen bei Leiharbeit und Werkverträgen vorschlägt. Von den ersten 68.000 Flüchtlingen, die wir schon in Arbeit bringen konnten, haben das viele über Zeitarbeit geschafft. Diesen Weg dürfen wir nicht unnötig erschweren. Junge Männer ohne Beschäftigung, ob deutsch oder syrisch, können ein Dorf ganz schön durcheinander bringen. Die müssen was zu tun haben!

Sie wollen dann sicher auch weitere Ausnahmen vom Mindestlohn?

Spahn Wir haben doch schon die Ausnahme, dass der Mindestlohn für Menschen, die vorher lange Zeit arbeitslos waren, im ersten Jahr nicht gilt. Das könnte man doch analog für die Flüchtlinge anwenden. Nicht als Extrawurst, aber als Erweiterung.

BIRGIT MARSCHALL UND GREGOR MAYNTZ FÜHRTEN DAS GESPRÄCH. DAS VOLLSTÄNDIGE INTERVIEW LESEN SIE UNTER WWW.RP-ONLINE.DE

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort