Teheran Der Iran wird bunter und westlicher

Teheran · Das Modell des Gottesstaates wird im Iran durch einen großen Teil der jungen Bevölkerung ausgehöhlt. Der Westen mit seiner Elektronik hat das Land längst im Griff. Die Mullahs mit ihrer inneren Mission kämpfen auf verlorenem Posten.

 Mit hochmodernen Tablets fotografieren sich junge bunt-gekleidete Iranerinnen vor einem Herrenhaus in Kashan.

Mit hochmodernen Tablets fotografieren sich junge bunt-gekleidete Iranerinnen vor einem Herrenhaus in Kashan.

Foto: Gundhild Tillmanns

Grimmig und strafend dreinblickende Mullahs, mit schwarzen Tschadors verschleierte Frauen: Dieses Bild hat der Westen vom Iran. Doch das Land hat sich gewandelt. Bunt ist das Stadtbild nicht nur in Teheran. Auch auf dem Land holt die Kraft des Faktischen längst den Gottesstaat mit seinen rigiden Sittlichkeitsgeboten ein. Frauen tragen bunte Kopftücher, die kaum noch das Haar verdecken, die Oberteile über der Jeans enden oft schon in Taillenhöhe. Pärchen schlendern durch die Parks. Sogar Alkohol wird ausgiebig getrunken, etwa bei Ausflügen in die Wüsten des Landes.

"Alles wird im Iran gemacht, so lange es nicht öffentlich oder politisch ist", sagt Abbas, ein 40-jähriger Mann aus Teheran. Längst hat sich eine moderne Parallelgesellschaft entwickelt, die trotz des Handels-Embargos, auf dessen baldiges Ende nun alle hoffen, an alle westlichen Luxusgegenstände und die modernste Technik heranzukommen weiß. Schon Kinder hantieren mit Smartphones herum, fotografiert wird überall im Iran vorzugsweise mit Tablets. Die Bezugsquelle ist zumeist Dubai. Mit dem Schiff lassen sich die bevorzugten Markenwaren aus den USA über die Emirate beschaffen.

"Makbar Amrika" - "Tod den Amerikanern", stand bis vor einigen Jahren noch an vielen Häuserfassaden. In manchen Hotels mussten die Besucher das Porträt des amerikanischen Präsidenten Bush auf dem Eingangsteppich im Wortsinn mit Füßen treten. Doch weder an die nachrevolutionäre Zeit, erst recht nicht an die Schah-Ära hat der junge Iran eigene Erinnerungen. Ein großer Prozentsatz der Bevölkerung setzt vielmehr unvoreingenommen seine Hoffnung auf den Westen und das baldige Ende des Embargos.

Mit Hupkonzerten, Musik und Tanz wurde am Freitagabend in Teheran das angekündigte Atomabkommen und damit die Hoffnung auf wirtschaftliche und generelle Öffnung zum Westen in Teheran gefeiert. Während die älteren Iraner überall im Lande wie gebannt an den Fernsehschirmen die Berichterstattung über den Durchbruch in der Atomfrage verfolgten, ließen die jüngeren teilweise auch nur wenig versteckt die Sektkorken knallen. Die Hinwendung zum Westen eines großen Teils der Bevölkerung im Iran ist natürlich auch den Mullahs nicht verborgen geblieben. Doch Wächterrat und die ebenfalls zur Geistlichkeit gehörenden Staatsoberhäupter Rohani und Khameni scheinen eingesehen zu haben, dass eine von Staatswesen erzwungene Religiosität keine echte Frömmigkeit schafft.

So nutzten die obersten Schiiten jetzt die 13-tägigen Neujahrsfeiern, die von Iranern gerne für Ausflüge im eigenen Land genutzt werden, für eine innere Mission. Die Zelte und Büdchen, die die Prediger überall an den historischen und kulturellen Besuchsstätten des Landes aufgebaut hatten, blieben aber leer - so leer, wie es zumeist auch die Moscheen im Iran sind.

Sollte es zur Aufhebung des Embargos kommen, stehen angeblich schon deutsche Unternehmen und Firmen aus weiteren europäischen Ländern Schlange, um mit dem "alten Persien" neue Geschäfte zu machen. Autos, Flugzeuge, Eisenbahn, Straßen-und Wohnungsbau, Technik, Elektronik - der Iran hat als drittgrößtes Erdöl- und Gas-Land ein immenses Marktpotenzial. In ihrem Freudentaumel haben die Teheraner diese Hoffnung bereits wahr werden lassen. Doch die älteren Iraner wissen: In ihrem Land hat es oft genug auch wieder Rückschritte gegeben.

(RP)
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