Analyse Der Beginn einer neu entdeckten Freundschaft

Istanbul · Die Türkei und Israel arbeiten hinter den Kulissen daran, ihre seit fünf Jahren angespannten Beziehungen zu verbessern und ihre ehemals enge Partnerschaft wiederzubeleben. Grund ist die explosive Lage in der Region, die beide Länder nach Verbündeten suchen lässt.

Nach jahrelanger Eiszeit gehen Türkei und Israel wieder aufeinander zu. In Gesprächen hochrangiger Vertreter arbeiten beide Seiten an einer Überwindung der seit mehr als fünf Jahren dauernden Krise in den Beziehungen. In der Türkei gibt Präsident Recep Tayyip Erdogan - bisher der oberste Scharfmacher in Sachen Israel - mit versöhnlichen Worten den Ton an. Der plötzliche Kurswechsel Ankaras hat vor allem mit dem Syrien-Konflikt und mit der türkisch-russischen Krise zu tun: Die Türkei braucht alle Partner, die sie finden kann.

In den 1990er Jahren waren die Türkei und Israel enge Verbündete und verstanden sich als Vorposten des Westens im ungemütlichen Nahen Osten. Die selbstbewusstere und pro-palästinensische Außenpolitik der Türkei unter Erdogan und das rigorose Vorgehen Israels gegen die Palästinenser brachten diese Freundschaft ins Wanken. Der Bruch kam im Jahr 2010, als israelische Soldaten neun türkische Aktivisten an Bord des Schiffes "Mavi Marmara" töteten, das Hilfsgüter in den abgeriegelten Gaza-Streifen bringen sollte.

Auf Druck der USA entschuldigte sich Israel bei der Türkei zwar für den blutigen Militäreinsatz, doch türkische Forderungen nach Entschädigungszahlungen und einem Ende der Gaza-Blockade sowie ein türkischer Strafprozess gegen israelische Militärs verhinderten bisher eine Aussöhnung. Mitte Dezember überraschte Erdogan jedoch mit der Bemerkung, die ganze Region könne von einer Wiederannäherung zwischen der Türkei und Israel profitieren. Die israelische Regierung antwortete, auch sie sei an einer Normalisierung interessiert. Ankara bestätigte, beide Staaten verhandelten über eine Beendigung der Krise, wenn die Türkei auch israelische Medienberichte dementierte, wonach es bereits eine Einigung gibt. In den Meldungen ist von israelischen Entschädigungszahlungen von 20 Millionen Dollar die Rede. Zudem wolle Erdogan den laufenden Strafprozess gegen Israel wegen der "Mavi Marmara"-Aktion beenden und die Unterstützung für die radikale Palästinenser-Gruppe Hamas herunterfahren. Unter anderem soll demnach ein ranghoher Hamas-Vertreter aus der Türkei ausgewiesen werden. Anschließend sei der erneute Austausch von Botschaftern geplant.

Der politische Klimawandel beruht vor allem auf der türkisch-russischen Krise wegen des Abschusses eines russischen Kampfjets durch die Türkei am 24. November. Seither geht in Ankara die Befürchtung um, Moskau könnte den Gashahn zudrehen. Deshalb bemüht man sich eilig um Alternativen, etwa in Aserbaidschan und Katar. Auch Israel, vor dessen Küste große Erdgasvorkommen entdeckt wurden, kommt als Lieferant infrage. Es geht der Türkei aber nicht nur um eine sichere Energieversorgung. Der Syrien-Konflikt und zuletzt der Streit mit Russland haben das Land in eine schwierige Lage gebracht. Ankara ist ein Erzfeind des syrischen Präsidenten Baschar al Assad, und die türkischen Beziehungen zum Irak und zum Iran sowie zu Ägypten sind ebenfalls problembeladen.

(RP)
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