Düsseldorf DDR-Nostalgie in FH-Lehrbuch

Düsseldorf · Ein Beitrag über die DDR in einem Sammelband der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie in Hamburg hat einen politischen Streit ausgelöst. Volker Kauder, Fraktionschef der Union im Bundestag, warf der Hochschule Verharmlosung der DDR-Heimerziehung vor. Die "Welt" zitiert aus einem Protestbrief Kauders an den zuständigen Nordkirchen-Bischof Gerhard Ulrich, in dem Kauder schreibe, es sei ein "unglaublicher Vorgang", dass in den Lehrmaterialien der Hochschule ein Beitrag von Eberhard Mannschatz auftauche, einem Mitarbeiter von DDR-Bildungsministerin Margot Honecker.

Mannschatz (84) war unter anderem Abteilungsleiter im DDR-Bildungsministerium und Professor für Pädagogik an der Berliner Humboldt-Universität. Er gilt als einer der Hauptverantwortlichen für den berüchtigten Jugendwerkhof Torgau. Dorthin wurden zwischen 1964 und 1989 mehr als 4000 Kinder und Jugendliche eingewiesen; sie mussten Zwangsarbeit leisten, viele von ihnen wurden misshandelt. Im zweiten Teil des Sammelbands "Grundkurs Soziale Arbeit" schreibt Mannschatz über die DDR-"Jugendhilfe". Der Beitrag geht zurück auf einen Vortrag Mannschatz' aus dem Jahr 1995. Den "Grundkurs Soziale Arbeit" von 2001 führt die Hochschule auf ihrer Publikationsliste im Internet an.

"Mannschatz macht sich das in dem Beitrag schon ein bisschen schön", räumte ein Sprecher der Hochschule auf Anfrage ein: "Im Nachhinein war es ein Fehler, den Beitrag zu veröffentlichen, ohne dass man den Inhalt teilt." Die Hochschule beteilige sich nicht am Schönreden der DDR-Erziehung. Außerdem sei der "Grundkurs" nur "eins von vielen Lehrmaterialien".

Träger der evangelischen Fachhochschule, an der etwa 400 Studenten zu Sozialpädagogen und Diakonen ausgebildet werden, ist die Stiftung Diakonenanstalt des Rauhen Hauses, ein Werk der evangelischen Nordkirche. Das Rauhe Haus wurde 1833 von dem protestantischen Theologen Johann Hinrich Wichern als Kinderheim gegründet. Heute betreibt die Stiftung Wohnanlagen, ein Pflegeheim und eine Schule in und um Hamburg und bietet ambulante Hilfe an.

In seiner Antwort an Kauder, die unserer Zeitung vorliegt, nennt Bischof Ulrich den Abdruck des Vortrags "ohne ausreichende Kommentierung" einen "Fehler, für den mir jedes Verständnis fehlt": "Ich habe Verständnis für die Opfer, die sich durch unhinterfragte Dokumentation des Textes von Mannschatz verhöhnt fühlen." Er erwarte von der Hochschule "eine angemessene, nachhaltige Reaktion".

Die Hochschule plant nach eigenen Angaben nun einen Besuch in Torgau. Professoren und Studenten wollen dort auch mit Opfern des Jugendwerkhofs sprechen. Außerdem soll im Herbst eine wissenschaftliche Tagung zum Thema DDR-Jugendpolitik stattfinden.

Mannschatz war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

(RP)
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