Analyse Clinton siegt, Sanders pokert

Washington · Der US-Vorwahlkampf der Demokraten ist gelaufen. An der Kandidatur von Hillary Clinton bestehen nach ihren jüngsten Wahlerfolgen keine Zweifel. Dass ihr Rivale Sanders nicht aufgeben will, hat taktische Gründe.

Von Dorothy Rodham wird wohl noch oft zu hören sein in diesem Wahlkampf. In der Nacht, in der Hillary Clinton ihren Sieg im Wettlauf um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten feiert und ihre Partei auf das anstehende Duell gegen Donald Trump einstimmt, spielte sie jedenfalls eine markante Rolle. Von ihrer Mutter, rief Clinton ihren Anhängern auf einer Wahlparty in Brooklyn zu, habe sie eines gelernt: nie zurückzuweichen vor einem Schulhoftyrannen. "Sie hat mir beigebracht, niemals einzuknicken vor einem Bully, was, wie sich herausstellt, ein ziemlich guter Rat war."

Gemeint ist Donald Trump. Clinton gegen Trump: Alles deutet auf einen Zweikampf hin, der als der haarigste, im Ton raueste in die Wahlchronik der USA eingehen könnte. Kaum ein Tag vergeht, an dem der Bauunternehmer die frühere First Lady, Senatorin und Außenministerin nicht mit Vokabeln beschreibt, die hässlicher sind als alles, was normalerweise in der gewiss nicht zimperlichen amerikanischen Politik zu erleben ist. Mal legt er ihr in krasser Wortwahl die außerehelichen Affären ihres Ehemanns Bill zur Last, mal beschimpft er sie als Kriminelle, die ins Gefängnis gehöre, nicht ins Weiße Haus. Die Clintons, wetterte der Milliardär in der Nacht zu Mittwoch, hätten persönliche Bereicherung zu einer Kunstform entwickelt: "Wir können unsere Probleme nicht lösen, wenn wir auf Politiker zählen, die diese Probleme erst geschaffen haben."

Die Demokratin konterte mit der Warnung, es wäre viel zu riskant, einem charakterlich so labilen, einem so unberechenbaren Mann wie Trump den Koffer mit dem Atombomben-Code zu überlassen. Dieser Hasardeur wolle gewinnen, indem er das Land spalte, Ängste schüre, Salz in Wunden streue. Dann wieder sprach sie von einem "Meilenstein der Geschichte", von dem historischen Moment, in dem eine der beiden großen Parteien der Vereinigten Staaten erstmals eine Frau ins Rennen ums Weiße Haus schickt.

Offiziell ist dies zwar erst besiegelt, wenn die Delegierten des Wahlparteitags im Juli über die Kandidatur befinden. In Wahrheit ist das Rennen gelaufen, auch wenn Bernie Sanders, angetreten als krasser Außenseiter, dann ein überraschend starker Widersacher der Favoritin, noch nicht bereit ist, es für beendet zu erklären. Clinton hat nicht nur in New Jersey, New Mexico und South Dakota die Vorwahlen für sich entschieden, sondern auch in Kalifornien, wo Sanders mit einem Sieg seine Position für die Debatten des Wahlkonvents stärken wollte. 56 Prozent der Stimmen holte Clinton im bevölkerungsreichsten Bundesstaat, mehr als erwartet. Es wirkte wie eine kalte Dusche für den Senator aus Vermont. Sanders ging zwar in Montana und North Dakota als Erster durchs Ziel, was aber kaum etwas änderte an der aus seiner Sicht ernüchternden Bilanz des Wahldienstags.

Ans Aufgeben will er dennoch vorläufig nicht denken. Er kämpfe weiter um jede Stimme, kündigte der 74-Jährige an. Erst sollten die Demokraten nächste Woche bei den Primaries in der Hauptstadt Washington wählen, dann werde man weitersehen, gab er zu verstehen. Zumindest rhetorisch hofft er noch immer auf ein kleines Wunder, darauf, dass die Superdelegierten des Parteitags in Philadelphia reihenweise zu ihm überlaufen und das Blatt damit wenden. Nicht an das Votum der Vorwahlen gebunden, haben es die 715 Superdelegierten - es handelt sich um Abgeordnete und Parteifunktionäre - theoretisch in der Hand, die Karten neu zu mischen. Praktisch aber haben die meisten von ihnen schon jetzt Clinton ihre Unterstützung zugesichert. Dass sie auf einmal umschwenken und den Zweitplatzierten zum Sieger erklären, steht nicht zu erwarten.

Was Sanders mit seinem Poker tatsächlich zu erreichen versucht, ist wohl, dass er in prominenter Rolle mitbasteln kann an der Agenda, mit der die Demokraten ins herbstliche Finale ziehen. Seine Trumpfkarte sind junge Wähler, die in Clinton eine Symbolfigur jenes politischen Establishments sehen, von dem sie sich im Stich gelassen fühlen. Bei ihnen vor allem konnte er punkten mit seinem Versprechen kostenloser Colleges, bezahlbarer Krankenversicherungen und einer zurückhaltenden Außenpolitik, verbunden mit einem Sparkurs beim Militär. Hinzu kommen Unabhängige, die sich auf keine Parteifarbe festlegen und die in dem kantigen Veteranen einen grundehrlichen Typen sehen, der unbeirrbar zu seinen Überzeugungen steht. Clinton braucht diese Wählergruppen, will sie Trump im Herbst bezwingen. Ein Schulterschluss mit Sanders ist eine wichtige Voraussetzung dafür.

(RP)
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