Peking China macht weltweit Jagd auf geflohene Funktionäre

Peking · Die Antikorruptionskampagne trifft nun auch Beamte, die sich ins Ausland abgesetzt haben. 850 von ihnen wurden 2015 zurückgeholt.

Auf Chinas Flughäfen herrscht seit kurzem ein ungewöhnliches Kommen und Gehen. Polizisten aus Hongkong, Laos, Südkorea oder anderen asiatischen Ländern, mit denen China Auslieferungsabkommen hat, eskortieren festgenommene Geschäftsleute über die Gangway in die jeweiligen Flugzeuge nach Hause. Peking übergibt mutmaßliche Wirtschaftskriminelle prompt an seine Nachbarländer. Es handelt sich um Abschiebung auf Gegenseitigkeit, denn China hat größtes Interesse daran, eigener Landsleute habhaft zu werden.

Nach tausenden Chinesen lässt Peking in aller Welt fahnden. Die Volksrepublik lässt seit Anfang 2014 systematisch alle Schlupflöcher im Ausland verstopfen, wohin sich einst - unerreichbar für Chinas Justiz - der Korruption verdächtige Funktionäre, Staatsdirektoren und Konzernchefs mit unterschlagenem Vermögen in Sicherheit brachten. Seit dem Amtsantritt von Staats- und Parteichef Xi Jinping, der den Antikorruptionskampf im Inland zur Chefsache machte, bläst Peking nun auch global zur Jagd auf Wirtschaftskriminelle. "Es soll für sie keinen "einzigen sicheren Hafen in der Welt mehr geben", sagte der Leiter der neuen Zentralgruppe Korruptionsbekämpfung im internationalen Bereich, Liu Jianchao. Vor drei Monaten stieg der Ex-Botschafter und Vizeminister im Außenministerium überraschend zum Abteilungsleiter für internationale Kooperation in der ebenso mächtigen wie geheimnisvollen ZK-Kommission für Disziplinarische Kontrolle auf. Lius Berufung steht für den Versuch, für mehr Transparenz in einer neuen Antikorruptionskampagne zu sorgen, die vom Inland ins Ausland übergreift.

Die neue Fahndungsoffensive seiner Behörde gewinnt derzeit an Fahrt. 2014 wurden 500 wegen Verdacht auf Korruption und Wirtschaftskriminalität gesuchte ehemalige hohe KP-Beamte oder Wirtschaftsführer aus zwei Dutzend Ländern nach China zurückgeholt, wo ihnen der Prozess gemacht wird. Seit Anfang des Jahres bis Ende November 2015 waren es dagegen bereits 850 Korruptionsverdächtige aus mehr als 70 Staaten. Fast die Hälfte von ihnen (über 40 Prozent) wurden an China ausgeliefert, ebenso viele stellten sich selbst. Die übrigen wurden in Nachbarstaaten wie in Laos bei gemeinsamen Polizeirazzien festgenommen.

Peking hat bisher Auslieferungsabkommen mit nur 39 Staaten geschlossen. Die meisten bestehen mit Staaten in Asien, Zentralasien und Afrika, nicht aber mit den USA, mit Kanada, Australien oder Europa, den Hauptfluchtländern für mutmaßliche chinesische Wirtschaftsverbrecher. Im Westen hegt man massive Bedenken, ob Ausgelieferten in China ein fairer Prozess gemacht wird, ob ihnen nicht die Todesstrafe oder Folter droht. Auch deswegen schließt Peking immer mehr Amtshilfeabkommen zur Verbrechensbekämpfung (bisher mit 52 Ländern). Zusammenarbeit bei der Antikorruptionsbekämpfung steht nicht zuletzt auch auf der Tagesordnung des G20-Gipfels 2016 im chinesischen Hangzhou.

Im April hatte Pekings "Interpol-China-Büro" seine erste "Rote Liste der 100 am meisten gesuchten Wirtschaftsverbrecher" veröffentlicht. Die Gesuchten auf der Liste, von denen sich allein 40 in die USA und 26 nach Kanada geflüchtet haben, wehren sich mit allen rechtlichen Mitteln gegen ihre Strafverfolgung. 48 von ihnen waren einst führende Funktionäre in Parteigremien, der Regierung oder Staatskonzernen.

Doch allein der Druck zeigt Wirkung: Sechs Monate nach Veröffentlichung der Liste seien 18 der 100 Gesuchten nach China zurückgekehrt, berichtet Behördenchef Liu. Ziel sei es, die Korruption durch mehr Öffentlichkeit, Erziehung und verbesserte Kontrollen so einzudämmen, dass sich künftig kein Funktionär oder Staatsbeamter "mehr traut, korrupt zu sein".

(RP)
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