Abschied mit Wehmut CDU verlässt Bonn als letzte Partei

Bonn (dpa). Die überdimensionalen signalroten Buchstaben "CDU" hoch oben auf dem Dach des Konrad-Adenauer-Hauses sind abmontiert. Im Bonner Haus der Geschichte sollen die drei Meter hohen und pro Stück 250 Kilogramm schweren Lettern künftig Reminiszenzen an eine große Zeit wecken. Mit der Bundes-CDU kehrte am Freitag die letzte große Partei der langjährigen politischen Zentrale Bonn den Rücken.

Ein halbes Jahrhundert lang - davon weit mehr als die Hälfte an der Regierung - bestimmte die Liaison zwischen den Christdemokraten und der beschaulichen Stadt am Rhein das politische Leben der Republik. Wäre der erste CDU-Kanzler Konrad Adenauer nicht gewesen, hätte es auch keinen Regierungssitz Bonn gegeben. Und Bonn stand unter Adenauer auch für die Westbindung der jungen Republik und mit Ludwig Erhard auch für das Wirtschaftswunder.

Seit fast drei Jahrzehnten stand der alles an Höhe überragende CDU-Namenszug und durch eine markante Beleuchtung auch nachts auffällige Blickfang an der Friedrich-Ebert-Allee zwischen Bonn und Bad Godesberg wie ein Symbol für den Machtanspruch der CDU in Bonn und damit in der Bundesrepublik. Die SPD auf der anderen Straßenseite hatte dem mit ihrem Erich-Ollenhauer-Haus ("Baracke") nichts ebenbürtiges entgegen zu setzen - jedenfalls nichts, was so markant positioniert ins Auge gesprungen wäre.

Während die SPD immer noch einen Käufer für ihre frühere Parteizentrale sucht, ist das 14-geschossige Adenauer-Haus längst in neuer Hand. Die Deutsche Telekom hat es erworben und will mit einem Teil der Mitarbeiter möglichst bald einziehen. Allerdings muss das Anfang der 70-iger Jahre errichtete schlicht- funktionale Gebäude durch Sanierungsarbeiten erst auch noch technisch auf einen moderneren Stand gebracht werden.

Im Konrad-Adenauer-Haus wurden viele Wahlsiege verkündet und begossen. Mucksmäuschenstill war es aber zuletzt im Herbst 1998, als die "Sozis" wieder einmal gewannen. Gleich vier Mal hatte Helmut Kohl zuvor seine Kanzlerschaft feiern können.

Als Parteichef war er - bei wechselnden Generalsekretären - ein Vierteljahrhundert lang (von 1973 bis 1998) der oberste Herr im Haus. Seine letzten Besuche waren allerdings überschattet von der Spendenaffäre, in die er seine Partei hinein gerissen hatte. Er ließ sich in die Tiefgarage chauffieren, um der Meute wartender Journalisten am Haupteingang zu entgehen.

Mit dem Spenden-Skandal sank die Union in Bonn und ihrem Tiefpunkt. Obwohl die Politik schon in Berlin gemacht wurde, fanden die Krisensitzungen der CDU-Führung noch im Adenauer-Haus statt. Und der im Brennpunkt stehende Kohl saß am Konferenztisch nicht mehr, wie alle die Jahre zuvor, in der Mitte.

Im Konrad-Adenauer-Haus wurden zwar auch Strippen gezogen. Doch im "System Kohl" lag der Machtkern der Partei 16 Jahre lang (1982 bis 1998) im Kanzleramt. Unter dem 1967 verstorbenen Adenauer (Parteichef von 1950 bis 1966) hatte es das nach ihm benannte Haus noch nicht gegeben. In der Nachkriegszeit hatten alle CDU-Kanzler - von Adenauer über Erhard bis zu Kurt Georg Kiesinger - vom Palais Schaumburg aus nicht nur regiert, sondern zugleich auch als Parteichefs die CDU- Geschäfte abgewickelt.

Als die CDU dann 1969 erstmals von der Staatsmacht Abschied nehmen musste, geriet sie auch in Raumnöte - die Mitarbeiter waren auf 18 Stellen verteilt - und entschloss sich zum Bau des neuen Hauses. Bezogen wurde es im Oktober 1972. Damals war Rainer Barzel der Parteivorsitzende. Er wurde kurz vom jungen Pfälzer Kohl abgelöst.

Viel Wehmut lag beim CDU-Abschied über der von der hohen Politik verlassenen Stadt. Parteichefin Angela Merkel griff zur Symbolik. Sie besuchte das benachbarte Rhöndorf auf der anderen Rheinseite, wo sie einen Rosenstock aus dem Haus Adenauers für den Wintergarten der neuen Bundesgeschäftsstelle nach Berlin in Empfang nahm.

Anders als die anderen Parteien, die sich bereits vor einem Jahr mehr oder weniger klammheimlich aus dem Staub machten und mit der Stadt auch nicht so innig verbunden schienen, verabschiedete sich die CDU mit einem Sommerfest in der Bonner Innenstadt unter dem Motto "Dank an Bonn" wenigstens bürgerfreundlich. Und das berühmte CDU-Logo bleibt ja weiter in Bonn - wenn auch nur als museales Schaustück.

(RPO Archiv)
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