Ständehaus-Treff Hannelore Kraft weiß, wer SPD-Kanzlerkandidat wird

Düsseldorf · Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat beim Ständehaus-Treff über Politik und Privates gesprochen. Sie sagt, wer SPD-Kanzlerkandidat werde, wisse sie schon. Sagen wollte sie es aber nicht.

Das war der Ständehaus-Treff im November 2016
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Foto: Bretz, Andreas

Hannelore Kraft regiert NRW seit gut sechs Jahren — und das Land steht im Bundesvergleich heute in mancherlei Hinsicht schlechter da als 2010. Es gibt mehr Arbeitslose, mehr Straftaten, mehr Schulden pro Einwohner, dafür weniger Wachstum und eine höhere Kinderarmut als in anderen Bundesländern. Mit welcher Begründung sie also im Mai 2017 noch einmal zur Wahl antreten wolle, fragte RP-Chefredakteur Michael Bröcker die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin am Montagabend beim Ständehaus-Treff in Düsseldorf.

Kraft antwortete, indem sie ein anderes Bild der Lage in NRW zeichnete: Die Zahl der Straftaten gegen Leib und Leben liege auf dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren, die Aufklärungsquote bei fast 95 Prozent. Bei Jugendlichen sei die niedrigste Kriminalitätsrate seit 45 Jahren zu verzeichnen. Zugleich räumte sie ein, dass die Einbruchszahlen gestiegen seien. Dagegen gehe die Regierung aber jetzt mit verschiedenen Maßnahmen vor.

Aber es gebe auch mehr große Städte in NRW, und Einbrecher machten sich nun einmal gern die größere Anonymität von Großstädten und die Nähe zu Autobahnen zunutze. Doch NRW steuere gegen, indem es beispielsweise die Zahl der Polizisten deutlich aufgestockt habe und weiter aufstocken werde. Es brauche jedoch einige Zeit, bis die Lücken in der Polizei, die die schwarz-gelbe Vorgängerregierung gerissen habe, geschlossen werden könnten. Polizisten müssten ja auch erst ausgebildet werden. Dennoch gelte: "No-go-Areas gibt es im kolumbianischen Medellín, aber nicht in NRW."

Kraft betont wachstumsstarke Regionen und Branchen

Beim Wirtschaftswachstum lag NRW 2015 an letzter Stelle — damit war das bevölkerungsreichste Land im Bundesvergleich das wirtschaftlich schwächste. Kraft verwies hier auf eine positive Tendenz: Im ersten Halbjahr habe das Wachstum bei 2,1 Prozent gelegen. Doch auch bei der Betrachtung über einen längeren Zeitraum, von 2010 bis 2015, lag NRW dem Wirtschaftsforschungsinstitut IW zufolge nur auf Platz 13. In der Folge ist die Arbeitslosigkeit hier höher als in allen anderen westdeutschen Flächenländern.

Kraft betonte vor 550 Gästen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft hingegen, dass es Regionen und Branchen gebe, die sehr wachstumsstark seien. Noch nie hätten in Nordrhein-Westfalen so viele Menschen Arbeit gehabt wie jetzt. Zudem laufe es gerade in vielen großen Unternehmen und in der in NRW besonders stark vertretenen Grundstoffindustrie zurzeit nicht gut, etwa bei Stahl oder Energie.

Bei den Schulden pro Kopf sieht NRW im bundesweiten Vergleich zurzeit nicht viel besser aus: laut IW fünftletzter Platz. Mit fast 14.000 Euro liegt das Niveau um knapp 5000 Euro über dem Durchschnitt aller Länder. Die Landesregierung plant den Wirtschaftsforschern zufolge mit 1,825 Milliarden Euro fast eine genauso hohe Neuverschuldung wie alle anderen Bundesländer zusammen. Und nur eine Minderheit der Bundesländer nimmt laut IW zurzeit überhaupt noch neue Schulden auf. Die Forscher hegen Zweifel, ob Nordrhein-Westfalen die Schuldenbremse überhaupt einhalten kann. Dem widersprach Kraft vehement: "Wir werden die Schuldenbremse schaffen, das garantiere ich Ihnen." Spätestens 2020 werde die Neuverschuldung bei null liegen, versicherte sie. Zugleich verteidigte sie ihr Projekt "Kein Kind zurücklassen". Dies sei nicht zuvorderst ein Projekt gegen Kinderarmut, so Kraft, denn Kinderarmut sei Folge von Erwachsenenarmut. Bei "Kein Kind zurücklassen" gehe es vielmehr darum, die Kommunen beim Aufbau von Präventionsketten zu stützen. "In den 18 Modellkommunen, die das bereits erfolgreich umsetzten, zeigen wir, dass Prävention wirkt und sich auch auszahlt", sagte sie. Der vollständige Effekt trete aber erst ein, wenn man eine ganze Generation betrachte.

"Wer glaubt denn seit Trump noch Umfragen?"

Bildungspolitik dürfte auf den Wahlausgang in NRW entscheidenden Einfluss haben. Zurzeit liegen CDU und SPD in Umfragen Kopf an Kopf. Kraft zog die Werte in Zweifel: "Wer glaubt denn seit Trump noch Umfragen?" Sie gab sich zuversichtlich, dass es nach der Landtagswahl zu einer starken Koalition unter SPD-Führung komme. Die Linken in NRW seien nach ihrem Wahlprogramm nicht regierungsfähiger als 2010. Und die CDU? "Ich vermisse bei der CDU einen klaren Plan."

Dass eine große Koalition nicht ideal sei, zeige sich in Berlin, betonte die SPD-Vizechefin, die sich 2013 vehement gegen die BIldung einer Union/SPD-Regierung gewehrt hatte. Aber allein wegen des Mindestlohns und der Änderungen bei der Rente habe sich die Beteiligung der SPD gelohnt.

Trotz der schlechten Wirtschaftsdaten zeigte sich Kraft für die Landtagswahlen optimistisch: "Wir haben einen Plan, und wir sind auf einem guten Weg." Wie ihr Plan für dienächste Legislaturperiode aussieht, sagte sie indes nicht. Zur Frage, ob sie wisse, wer SPD-Kanzlerkandidat werde, überraschte sie mit der knappen Äußerung: "Ja." Sie wisse es. Verraten wollte sie es aber nicht. Man werde sich an den Zeitplan halten und wie verabredet Anfang des Jahres den Merkel-Herausforderer benennen. Im Saal wurde später gemutmaßt, dass Kraft mit ihrer Äußerung klarmachen wollte, dass sie als Vorsitzende des größten Landesverbands früh in die Planungen einbezogen sei. Das könne dafür sprechen, dass Gabriel Kanzlerkandidat werde, meinte ein Sozialdemokrat.

Zum Schluss des knapp 60-minütigen Gesprächs ging es auch über Privates. Kraft erzählte von ihrer Kindheit ein bescheidenen Verhältnissen in Mülheim an der Ruhr. "Und sonntags zogen wir unsere Lackschühchen an." Nach einer Ausbildung als Bankkauffrau verschlug es sie nach London, "der Liebe wegen". Dort studierte sie zeitweise Food Science Management und hätte, wie sie erzählte, Managerin bei Kellogg's werden können. Am Ende war es der fehlende Kita-Platz, der sie als junge Mutter sich für die Politik interessieren ließ. "Ich wollte was ändern, gestalten", sagte sie. Seit 2010 regiert die Sozialdemokratin nun das größte Bundesland. Am 14. Mai entscheidet sich, ob sie es weitere fünf Jahre tun kann.

(kib)
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