Berlin Bundestag soll sich mit Putins "Trollen" in Netzwerken befassen

Berlin · "Nicht linear" nennen es die russischen Militärs, wenn die Stimmung in einem anderen Land ohne einen sichtbaren eigenen Angriff gedreht wird. Die Nato spricht von "hybrider Kriegsführung", die immer mehr an Bedeutung gewinne. "Die Bundesregierung beobachtet seit geraumer Zeit verstärkte russische Versuche, auf die öffentliche Meinung auch außerhalb Russlands Einfluss zu nehmen, das gilt auch für Deutschland", erläutert Außenamts-Staatssekretär Markus Ederer (SPD). Er verweist auf vermehrt auftauchende Hinweise auf "Internet-Söldner" (sogenannte Trolle), deren Hauptaufgabe es sei, Meinung im Internet mithilfe von bezahlten Kommentaren zu manipulieren.

Die Grünen-Außenexpertin Marieluise Beck blickt dabei vor allem auf die "Agentur zur Analyse des Internets" in St. Petersburg, in der Hunderte von Trollen arbeiteten, die die sozialen Netzwerke und Kommentarspalten auch in Deutschland regelrecht fluteten. "Sehr deutlich belegt" sei inzwischen, dass die Mitarbeiter von dem Oligarchen Jewgeni Prigoschin bezahlt würden, einem Freund Putins.

Beck sieht ein System dahinter, wenn die "Trolle" immer neue Behauptungen ins Internet schießen. Es würden so viele Informationen, Fehlinformationen, Wahrheiten und Unwahrheiten in den Raum geworfen, um am Ende ein Ziel zu erreichen: "Wenn alles wahr sein kann, ist nichts mehr wahr." Ljudmila Savchuk, die selbst undercover in der "Trollfabrik" recherchierte, bestätigte nun diese Vermutung. Die meisten der rund 400 bis 500 Leute in dem riesigen Haus seien um die 20, und ihre einzige Motivation sei, 40.000 bis 50.000 Rubel (500 bis 600 Euro) zu verdienen, "Man hat uns gesagt, welche Themen wir ansprechen sollten, aber auch, dass sie so persönlich und emotional wie möglich rüberkommen sollten. Da schreibt man dann zum Beispiel lang und breit, wie man gerade einen Kuchen backt. Und dabei macht man sich ein paar Gedanken über Merkel", berichtet sie im Deutschlandfunk. Für Norbert Röttgen, den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, ist die Zeit gekommen, dass sich auch das Parlament damit befasst. Vor allem der Fall Lisa erkläre, wie das russische Staatsfernsehen durch manipulierte Bilder und Berichterstattungen den Verdacht der Vergewaltigung durch mehrere Flüchtlinge schüren wollte. "Die falschen Anschuldigungen wurden von Außenminister Lawrow noch wiederholt, als bereits vieles darauf hinwies, dass der Vorwurf frei erfunden war", kritisiert der CDU-Politiker. Er verweist auf den Versand von Massen-SMS an Russlanddeutsche. "Wir beobachten, dass Russland versucht, systematisch, vernetzt und mit beträchtlichen Ressourcen Einfluss auf die öffentliche Meinung in Deutschland zu nehmen", erklärt Röttgen. Daher spreche vieles dafür, "dass dieses Vorgehen Teil einer außenpolitischen Kommunikation Russlands ist". Es sei deshalb "geboten, dieses Thema systematisch - zum Beispiel im Rahmen einer Anhörung im Bundestag - aufzugreifen".

(RP)
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