London Brexit-Chaos in Großbritannien

London · Ein durchgesickertes Memo offenbart die Planlosigkeit im britischen Parlament.

Das britische Kabinett ist zerstritten darüber, wie die Strategie für den Brexit aussehen soll. Es wird wahrscheinlich weitere sechs Monate brauchen, bevor Premierministerin Theresa May Ziele und Prioritäten festlegen kann. Das sind nur einige der beunruhigenden Erkenntnisse aus einem durchgesickerten Memorandum, das gestern von der britischen "Times" und dem Sender BBC verbreitet wurde. Laut Angaben der "Times" soll es sich bei dem Dokument "Brexit Update" vom 7. November um ein Memo für das Cabinet Office - das britische Pendant zum deutschen Kanzleramt - handeln, das von einem Referenten erstellt wurde. Ein Regierungssprecher spielte die Bedeutung des Papiers herunter. Es handele sich "nicht um einen Regierungsbericht". Die Fakten aus dem Bericht wurden jedoch nicht dementiert.

Das interne Papier legt den Finger auf die Wunde. Im Kabinett verläuft die Front zwischen den sogenannten drei "Brexiteers" und Hardlinern Außenminister Boris Johnson, Brexit-Minister David Davis und Handelsminister Liam Fox einerseits und dem Finanzminister Philip Hammond und Wirtschaftsminister Greg Clark andererseits, die für einen möglichst weitgehenden Zugang zum Binnenmarkt streiten.

Mays Regierungsstil bestehe darin, so der Bericht, "Angelegenheiten an sich zu ziehen und im Alleingang" regeln zu wollen, was auf Dauer nicht funktionieren könne. Jedes Ministerium arbeite an eigenen Plänen, wie ein Brexit sich für das Ressort auswirken könne, es gebe aber keine Abstimmung zwischen den Ministerien. Der Beamtenapparat müsse mehr als 500 Projekte für die Umsetzung des Brexit bewältigen. Dafür brauche man voraussichtlich 30.000 zusätzliche Angestellte, für die aber kein Geld da sei. Die Komplexität der Aufgabe sei "jenseits der Kapazität und Leistungsfähigkeit der Regierung, sie schnell umzusetzen", konstatiert das Papier.

Für die Opposition ist das Memo ein gefundenes Fressen. Labours Schattenkanzler John McDonnell warnte, dass die Regierung auf einen "Chaos-Brexit" zusteuere. Finanzminister Hammond sei isoliert und zu schwach, um aus dem EU-Austritt einen Erfolg zu machen. Auch der Chef der Liberaldemokraten, Tim Farron, sprach von einem "Chaos im Herzen der Regierung". Es sei Zeit, sagte er, "dass die Premierministerin aufhört, sich von ihrem verfeindeten Kabinett in die Irre führen zu lassen".

(RP)
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