Lesbos Bewegende Szenen beim Papst-Besuch auf Lesbos

Lesbos · Als ihm der Papst die Hand schütteln will, fällt der Mann vor ihm auf die Knie. Schluchzend bittet er: "Vater, gib mir Deinen Segen!" Lange legt Franziskus seine Hand auf den Kopf des vor ihm knienden Mannes. Wenige Augenblicke darauf durchbricht eine weinende Frau die Sicherheitsabsperrungen. Sie fleht den Papst an: "Nimm mich mit!" Viele Menschen brechen in Tränen aus, strecken dem Papst hilfesuchend ihre Hände entgegen. Kinder schenken ihm selbstgemalte Bilder. Es sind Zeichnungen traumatisierter Kinder. Sie erzählen von den Schrecken des Krieges und den Gefahren der Flucht.

Es waren bewegende Momente, die sich am Wochenende beim Besuch von Papst Franziskus auf der griechischen Flüchtlingsinsel Lesbos abspielten. Gemeinsam mit zwei geistlichen Führern der orthodoxen Kirche, dem Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I., und dem Athener Erzbischof und Oberhaupt der griechischen Kirche, Hieronymos II., war der Papst am Samstag auf die ostägäische Insel gekommen, die ein Brennpunkt der Flüchtlingskrise ist.

Gegenwärtig sind etwa 4100 Flüchtlinge und Migranten auf Lesbos. Die meisten von ihnen müssen damit rechnen, im Rahmen des Rückführungsabkommens, das die EU im März mit der Türkei schloss, wieder nach dort abgeschoben zu werden. Dennoch versuchte der Papst, den Menschen Mut zu machen: "Ihr seid nicht allein, Freunde, verliert die Hoffnung nicht!" Im Flüchtlingslager Moria, wo etwa 3500 Menschen leben, wurden die Kirchenführer mit Rufen nach "Freiheit" und selbstgemalten Pappschildern mit der Aufschrift "Hilfe" empfangen.

"Es ist eine traurige Reise", hatte der Papst bereits auf dem Flug von Rom nach Lesbos den mitreisenden Journalisten gesagt. "Wir treffen auf die größte humanitäre Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg." Die Reise führe auf einen "Friedhof im Meer", sagte Franziskus - und meinte damit die vielen, meist namenlosen Gräber auf der Insel, in denen Männer, Frauen und Kinder bestattet sind, die bei der Flucht über die Ägäis ertrunken sind.

Der Besuch der Kirchenführer und des Ministerpräsidenten hatte auf der Insel an den Vortagen hektische Aktivitäten der Behörden ausgelöst. Die Straßen der Inselhauptstadt Mytilini wurden gekehrt und mit Wasser abgespritzt, Grünanlagen hergerichtet, Fassaden gestrichen. Griechische Medien berichteten von der "Operation Besen": Athen habe angeordnet, möglichst alle Flüchtlinge, die bis dahin auf Plätzen und in Parks kampierten, aus dem Stadtbild verschwinden zu lassen. Das stieß auf Kritik des Inselbürgermeisters Spiros Galinos. Man dürfe wegen des Papst-Besuchs die Probleme der Insel nicht unter den Teppich kehren. "Wir sollten die Wahrheit zeigen."

Der Papst beließ es nicht bei Appellen. Überraschend nahm er drei Flüchtlingsfamilien auf dem Rückflug mit nach Rom. Die zwölf Syrer, unter ihnen sechs Kinder, sollen Aufnahme in Italien finden. Die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio will sich um ihre Ansiedlung kümmern.

(RP)
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