Berlin Basis-Grüne warnen Führung vor Rechtsruck

Berlin · Die Parteimitglieder verlangen mehr sozialpolitische Akzente und ätzen gegen Schwarz-Grün.

Den Grünen steht Streit um ihren künftigen Kurs ins Haus: Insgesamt 13 Basismitglieder vom linken Flügel haben der Partei- und Fraktionsführung einen gepfefferten Brief geschrieben. Danach hat die Spitze seit der Bundestagswahl so ziemlich alles falsch gemacht. Die Mitglieder sehen ihre Partei nach Rechts driften und warnen vor einem Bündnis mit der Union. "Schwarz-Grün im Bund überlebt diese Partei nicht", heißt es in dem Brief an die "liebe Simone" (Peter), den "lieben Cem" (Özdemir), die "liebe Katrin" (Göring-Eckardt) und den "lieben Toni" (Hofreiter). Parteichefin Simone Peter weist die Kritik zurück.

Die Unzufriedenheit mit der Spitze gärt unter den Linken schon länger. In der Gruppe "Grüne Linke" im sozialen Netzwerk Facebook wird nach Angaben von Teilnehmern seit Monaten diskutiert. In dem 30-seitigen Schreiben heißt es nun, die Grünen müssten "wieder mehr Visionen entwickeln". Unter anderem müsste die Sozialpolitik eine starke Rolle spielen.

"Wir werden nicht als soziale Partei wahrgenommen, und das ist ein sehr großes Problem", schreiben die Kritiker. Es reicht aus ihrer Sicht nicht aus, "über Tierschutz und gutes Essen zu sprechen". Zudem würden die Grünen im Bundestag nicht als Opposition wahrgenommen, sondern als künftige Koalitionäre der CDU im Wartestand. "Bevor wir mit der CDU regieren, sollten wir lieber Opposition mit sozialem Profil machen", findet Uwe Striegl, einer der Mitunterzeichner vom Kreisverband der Grünen in Altenkirchen im Westerwald.

Nicht einmal in der Außenpolitik gibt die Partei in Berlin nach Ansicht der Basis-Grünen eine gute Figur ab. Die Grünen hätten "sogar nationalistische und rechte Kräfte in der Ukraine indirekt unterstützt", heißt es in dem Brief. Selbst die Möglichkeit einer Partei-Spaltung wird am Ende des Briefs angedeutet. So heißt es: "Es liegt nicht in unserem Interesse, die Partei spalten zu wollen, sondern wir wollen, dass grüne, linke alternative und progressive Politik wieder mehr Gewicht erhält." Prominentere Vertreter der Parteilinken legen unterdessen Wert auf die Feststellung, dass es sich bei dem Brief nicht um eine offizielle Äußerung des Flügels handelt.

In der Führung nimmt man die Kritik dennoch ernst. Parteichefin Peter beschwichtigt: "In der Sache sind wir uns doch alle einig: Gerechtigkeit ist ein zentraler Grundwert grüner Politik." Der Kritik an der Außenpolitik hält sie entgegen, man setze auf "Konfliktprävention, Diplomatie und Deeskalation". Grüne Politik sei "eine Politik der militärischen Zurückhaltung". Peter gilt selbst als Befürworterin rot-grüner Bündnisse, die ein Bündnis mit der Union auf Bundesebene ablehnt. Zuletzt ließ sie Kritik am Hamburger Wahlkampf der Grünen durchklingen, weil diese sich erst spät als Koalitionspartner der SPD ins Gespräch gebracht hatten. "Wo wir keine Partner für grüne Politik finden, können wir auch Opposition", sagte Peter. Dies sei "gelebte grüne Eigenständigkeit".

Zuletzt hatte es zur Fraktionsklausur Ende Januar ein Papier linker Grünen-Politiker gegeben, in dem die inhaltliche Verflachung grüner Positionen beklagt wurde.

(RP)
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