Kritik am Bamf Experten befürchten bis zu eine Million unbearbeitete Asylverfahren

Berlin · Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge steht in der Kritik. Derzeit fallen doppelt so viele neue Fälle an, wie bearbeitet werden können.

 Frank-Jürgen Weise leitet das Bamf.

Frank-Jürgen Weise leitet das Bamf.

Foto: dpa, gam kno htf cul

Zweieinhalb Monate nach Übernahme des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wächst die Kritik an Behördenchef Frank-Jürgen Weise. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sprach von "Zuständen, die nicht tragbar sind". Die Nürnberger Behörde müsse flexibler werden. "Dienst von Montag bis Freitag - das geht in diesen Zeiten nicht mehr", monierte sie. Nach einem Gespräch mit Weise hatte bereits NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) dessen Vorstellung "enttäuschend, in manchen Teilen erschreckend" genannt. Sein Kollege Lorenz Caffier (CDU) aus Mecklenburg-Vorpommern sagte, auch im öffentlichen Dienst seien "im Zweifelsfall mal Überstunden möglich". Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) verwies auf ein Zwei-Schichten-Modell im Saarland.

Die Kritik entzündet sich daran, dass das Bamf die Zahl der Entscheidungen zwar von 1000 auf 1600 pro Tag erhöht hat, dass aber immer noch täglich doppelt so viele neue Verfahren hinzukommen. Zudem warten viele Flüchtlinge inzwischen acht Monate, bis sie überhaupt einen Antrag einreichen und das Verfahren starten können. Daher befürchten Beobachter, dass das Bamf das Jahr 2015 mit einem Berg von bis zu einer Million unbearbeiteter Verfahren beendet. Schon jetzt sollen es rund 330.000 sein. Obwohl das Personal zu Jahresbeginn um weitere 4000 Stellen aufgestockt wird, könnte es bis Mai dauern, bis die Behörde in der Lage ist, monatlich 80.000 Verfahren zu bearbeiten. So viele Flüchtlinge waren im Spätsommer in einer Woche gekommen.

FDP-Chef Christian Lindner sieht es in dieser Lage als "kapitalen Fehler", zu Einzelfallprüfungen auch bei Syrern zurückzukehren: "So wächst der Berg unerledigter Anträge." Stattdessen müsse ein eigener Status für Kriegsflüchtlinge geschaffen werden, damit diese Verfahren aus dem Bamf verschwinden. Dann könnten die anderen Verfahren beschleunigt werden. Lindner: "Nur kurze Verfahren und anschließende Ausreise senden das Signal in Länder wie Pakistan oder Nigeria, dass auch Deutschland bei aller Solidarität nicht jeden nehmen kann."

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) verteidigte Weise im ZDF: "Herr Weise und seine Kolleginnen und Kollegen arbeiten sehr gut." Auch Unions-Innenexperte Stephan Mayer nahm die Behörde in Schutz: Weises Konzept sei "nachvollziehbar und umfangreich", sagte Mayer, und geeignet, Hunderttausende Altfälle schnell abzubauen: "Ich habe den Eindruck, dass manche Länder durch die Kritik von eigenen Fehlern und eigenen Unzulänglichkeiten bei der Unterbringung und insbesondere von der immer noch unzureichenden Abschiebung von ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerbern ablenken wollen."

In der Debatte um die Zuwanderung nach Europa appellieren Deutschland und Frankreich an die EU, die Grenzschutzagentur Frontex zu stärken. In einem gemeinsamen Brief fordern die Innenminister Thomas de Maizière und Bernard Cazeneuve, dass die Agentur bei mangelhafter Kontrolle der Außengrenzen "auf der Grundlage einer von Frontex erstellten Risikobewertung schnell hinzugezogen werden kann" - in Ausnahmefällen auch ohne dass ein Mitgliedstaat darum bittet.

(may-)
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