Rolle von Facebook im US-Wahlkampf "Wie eine Freundschaftsanfrage vom komischen Onkel"

Cleveland · Wer sich für die Präsidentschaftswahlen der USA interessiert, kommt an Facebook nicht vorbei. Weil das soziale Netzwerk der Veranstalter der TV-Debatten ist, ist sein Logo auf allen Kanälen zu sehen. Boss Mark Zuckerberg ist ein Coup mit Beigeschmack gelungen. Der Schuss könnte für das Netzwerk nach hinten losgehen.

 Perfekte Produkplatzierung: Facebook bei der TV-Debatte der Republikaner.

Perfekte Produkplatzierung: Facebook bei der TV-Debatte der Republikaner.

Foto: afp, cs/lwc

Mit Spannung war sie erwartet worden, die erste TV-Debatte der zehn aussichtsreichsten republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Millionen verfolgten die Polit-Show live vor dem Fernseher — wer nur kurz einschaltete, konnte schnell den Eindruck gewinnen, er sei bei einer Pressekonferenz von Facebook gelandet.

Auf der Bühne der Quicken Loans Arena in Cleveland: Zehn Männer in dunklen Anzügen, neben ihren Köpfen deutlich erkennbar die unzähligen Logos des sozialen Netzwerks. Egal, welche Kamera die Männer gerade einfängt, Facebook ist immer im Bild. Leuchtender Letter, weiß auf blauem Grund. Da in Ohio aber nicht die Quartalszahlen von Facebook, sondern der Präsidentschaftskandidat der Republikaner gesucht wird, stößt die Omnipräsenz des Unternehmens auch in den Vereinigten Staaten vermehrt auf Kritik.

"Vielleicht hätte das Logo von Facebook bei der Debatte nicht so prominent sein sollen", meint Blogger Jacob Brogan vom US-Magazin Slate. Zumal der Schuss nach hinten losgehen könnte. "Das Logo neben den ganzen Kandidaten. Das ist, wie eine Freundschaftsanfrage von deinem komischen Onkel zu bekommen: Dadurch wirst du eher von der Seite abgeschreckt, als mehr involviert."

Man stelle sich vor, Angela Merkel würde im Rededuell 2017 gegen Sigmar Gabriel antreten — und Facebook wäre der große Veranstalter. Ob sich beide Seiten damit einen Gefallen tun würden? Eine Facebook-Sprecherin wollte dazu noch keine Stellung nehmen. Dazu sei es noch zu früh. Die Bundesregierung schielt auf jeden Fall jetzt schon nach der Generation Internet — wie nicht zuletzt das Interview Merkels mit Youtube-Blogger LeFloid gezeigt hat.

In den USA wird das soziale Netzwerk von Mark Zuckerberg aber zunächst wohl einen PR-Coup feiern können. Die Zusammenarbeit mit dem Fernsehsender Fox News geht weit über die Logos auf der Bühne hinaus. Zuschauer haben per Facebook-Chat die Möglichkeit, mit Fox-Moderatoren über die Debatte zu diskutieren, das Netzwerk überträgt natürlich live aus Cleveland.

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Foto: dpa/Matt Rourke

Nur wenig verwundern kann da, dass Privatsphäre und Persönlichkeitsrechte im Internet nicht zu den heißesten Themen des Abends gehören.

Als das Wortgefecht beendet ist, spielt sich das soziale Netzwerk nicht nur als Veranstalter, sondern auch als Marktforscher auf. "Facebook bricht herunter, was Wähler über die Debatte denken", titelt Fox News. Demnach würde Donald Trump die Diskussionen dominieren, die von ihm angestoßene Migrations-Debatte vor allem in den Grenzstaaten und Florida geführt werden.

Der große Aufschrei über öffentlich zur Schau gestellte Privatinteressen im Wahlkampf wird aber wohl ausbleiben — die Amerikaner haben sich schon längst an Produktplatzierungen dieser Art gewöhnt. Youtube spielte bei den Präsidentschaftswahlen 2008 eine ähnliche Rolle wie Facebook im aktuellen Wahlkampf.

Und damit kennt sich ja mittlerweile auch Bundeskanzlerin Angela Merkel aus. LeFloid als einer der drei Moderatoren des Kanzlerduells? Scheint längst nicht mehr absurd, obwohl es vielleicht noch so klingen mag.

(lukra)
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