Wofür steht Ahmadinedschads Rivale? Was sich unter Mussawi verändern würde

Teheran (RPO). Ein Großteil der westlichen Welt sehnt sich bei der heutigen Präsidentschaftswahl nach einem Machtwechsel im Iran. Die mögliche Ablösung des erzkonservativen Mahmud Ahmadinedschad durch seinen Herausforderer Mir-Hossein Mussawi verbinden viele mit der Chance zu einer neuen Politik der Entspannung. Doch was würde sich bei einem Sieg Mussawis überhaupt ändern?

Drei Männer gegen Ahmadinedschad
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Zwei Jahrzehnte hat Mir-Hossein Mussawi im Schatten der iranischen Politik verbracht. Nun ist der moderate Konservative nicht nur zurück im Rampenlicht, er gilt bei der Präsidentschaftswahl auch als stärkster Konkurrent Ahmadinedschads.

Im Wahlkampf setzte Mussawi, der sich selbst als einen "den Grundsätzen der Revolution verbundenen Reformer" bezeichnet, in der Auseinandersetzung mit Ahmadinedschad auf Konfrontation.

Er bezeichnete ein Verbleiben des Präsidenten im Amt als "Gefahr" für den Iran. Bei einer Fernsehdebatte bezichtigte Mussawi den Amtsinhaber der Lüge. "Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn die Herrschenden das Volk belügen", kritisierte der Ex-Ministerpräsident.

Wer ist Mir-Hossein Mussawi?

Mussawi blickt auf eine lange politische Karriere zurück. Während des Studiums an der Teheraner Melli-Universität engagierte er sich in islamisch-fundamentalistischen Gruppen gegen das Schah-Regime. Als der ungeliebte Herrscher schließlich vor 30 Jahren unter dem Druck der Straße das Land verließ und der islamische Führer Ayatollah Khomeini einen Gottesstaat errichtete, führte Mussawi das Zentralkomitee der Islamisch-Republikanischen Partei (IRP).

Im Jahr 1981 wurde Mussawi Regierungschef eines durch den Krieg mit dem benachbarten Irak (1980-88) wirtschaftlich am Boden liegenden Landes. Damals richtete der fließend Arabisch und Englisch sprechende Mussawi ein rigides System der Nahrungsmittelrationierung und Preiskontrolle ein. Im Falle eines Wahlsiegs will Mussawi die damals gewonnenen Erfahrungen nutzen, um die iranische Wirtschaft aufzurichten, die unter Inflation und der verschwenderischen Regierungspolitik ächzt und wankt.

Als ein Jahr nach Ende des Krieges mit dem Irak das Amt des Regierungschefs offiziell abgeschafft wurde, zog sich Mussawi als Berater der Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani (1989-1997) und Mohammad Chatami (1997-2005) hinter die Kulissen zurück. Chatami hat nun dem damaligen Berater den Vortritt gelassen - er zog sich zugunsten der Kandidatur Mussawis aus dem Rennen zurück und fordert seitdem seine Anhänger zur Unterstützung Mussawis auf.

Die Unterschiede in den Positionen Mussawis und Ahmadinedschads sind zweifelsohne beträchtlich. Wir erklären, was sich bei einem Machtwechsel in wichtigen Politik-Bereichen ändern würde.

Außenpolitik

Außenpolitisch will der 68 Jahre alte Maler und Architekt Mussawi das Bild vom Iran als unberechenbarem Unruhestifter tilgen. Mussawi verfolgt eine Abkehr von der besonders im Westen als sprunghaft gefürchteten Außenpolitik Ahmadinedschads. Im Wahlkampf kündigte er für den Fall seiner Wahl "eine Politik der Entspannung und Interaktion mit anderen Ländern" an. Auch die USA dürften in diesen Prozess eingeschlossen werden.

Wirtschaftspolitik

Wirtschaftlich glänzt der zweitgrößte Ölexporteur der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) derzeit nicht gerade. Der Iran kämpft mit hoher Inflation und Einbrüchen bei den Öleinnahmen. Die Preise für Lebensmittel und auch die Mieten sind explodiert. Mussawi hat die schlechte Wirtschaftslage zu einem Hauptthema seines Wahlkampfs gemacht. Er warf Ahmadinedschad unter anderem vor, die Probleme schönzureden und Statistiken zu manipulieren. Noch Anfang der Woche erklärte der Präsident, die Inflationsrate liege bei 15 Prozent - bis er am Dienstag einräumte, dass der Wert tatsächlich 25 Prozent betrage.

Mussawi verspricht eine Stabilisierung der krisengeschüttelten iranischen Wirtschaft. "Ahmadinedschad hat unser Land ruiniert", greift er den Amtsinhaber an. Mussawi will die bisher von Staatslenkung dominierte Wirtschaft liberalisieren, die Inflation mit Geldpolitik eindämmen und die heimische Industrieproduktion ankurbeln.

Sozialpolitik

Im Wahlkampf hat sich Mussawi unter anderem für eine Stärkung der Rechte von Frauen ausgesprochen. Sollte er die Wahl gewinnen, werde er das Parlament veranlassen, alle diskriminierenden Gesetze zu korrigieren, sagte Mussawi. Er stellte unter anderem eine Abschaffung der Sittenpolizei in Aussicht, die über die Einhaltung der strengen Kleidervorschriften wacht. Ahmadinedschad hatte zuletzt die Überprüfung dieser Vorschriften noch einmal verschärft.

Atompolitik

Ein Streitpunkt würde bei Mussawi auf internationalem Parkett bleiben: In der Atomfrage vertritt er die offizielle Linie, wonach der Iran sein umstrittenes Programm auch in Zukunft fortführen soll. Damit befindet er sich auf einer Linie mit Ahmadinedschad. Reformer wie Hardliner im Iran überhöhen die Anreicherung von Uran als Akt nationaler Selbstbehauptung. Der Westen aber will einen Griff der Mullahs nach der Atomwaffe unter keinen Umständen dulden.

Holocaust-Leugnung

Mussawi lehnt Ahmadinedschads Infragestellung des Holocaust und die mehrfachen Israel-feindlichen Äußerungen ab. Der Amtsinhaber hatte den Völkermord an den Juden immer wieder als Mythos bezeichnet und vertrat die Ansicht, Israel müsse "aus den Annalen der Geschichte verschwinden".

mit Material von AFP/AP

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