Wahlkampf in Frankreich Le Pen wegen Äußerung zu Judenverhaftungen in der Kritik

Paris · Im französischen Wahlkampf gerät Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen unter Druck. Die Rechtsaußen-Politikerin habe Frankreichs Verantwortung für Razzien gegen Juden im Zweiten Weltkrieg geleugnet, sagen ihre Konkurrenten.

Marine Le Pen lässt sich feiern
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Die französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen hat mit einer Äußerung zur Verantwortung Frankreichs für die Deportationen von Juden im Zweiten Weltkrieg einen Sturm der Kritik ausgelöst. Le Pen habe ihre wahre Einstellung offenbart, als sie erklärte, Frankreich könne nichts für die Deportation von mehr als 13 000 Juden aus Paris, sagten ihre Gegenkandidaten vom Favoriten Emmanuel Macron bis zum Außenseiter Jean Lassalle am Montag. Le Pen versuchte, sich mit einer nachgeschobenen Erklärung zu rechtfertigen.

Sie hatte am Sonntag gesagt, Frankreich sei nicht dafür verantwortlich, dass Pariser Polizisten im Juli 1942 Tausende Männer, Frauen und Kinder im Radstadion Vélodrome d'Hiver zusammengepfercht hatten, die dann in Vernichtungslager der Nazis abtransportiert wurden. Die Polizei unterstand damals der französischen Regierung von Marschall Philippe Pétain, die in Vichy residierte und mit der deutschen Besatzungsmacht zusammenarbeitete.

Medienberichten zufolge drängte die Polizei die verhafteten jüdischen Minderjährigen der Gestapo geradezu auf. Insgesamt wurden während des Zweiten Weltkriegs 75 000 Juden aus Frankreich in deutsche Vernichtungslager verschleppt, nur 2500 überlebten.

Macron: "Historischer und politischer Fehler"

Macron sagte, Le Pen habe sich zwei Wochen vor der ersten Wahlrunde einen schweren Missgriff geleistet. "Einerseits ist es ein historischer und politischer Fehler und andererseits ist es ein Zeichen dafür, dass Marine Le Pen die Tochter von Jean-Marie Le Pen ist", fügte Macron hinzu.

Damit spielte er auf die Versuche der Politikerin an, sich von ihrem Vater zu distanzieren, um gemäßigte Wähler ansprechen zu können. Jean-Marie Le Pen ist mehrfach wegen antisemitischer Äußerungen verurteilt worden. Seine Tochter erreichte mittlerweile den Ausschluss des Parteigründers aus ihrer Front National.

Der sozialistische Präsidentschaftskandidat Benoît Hamon sagte, wenn Le Pen die Geschichte nicht gefalle, verdrehe sie die Tatsachen. "Falls noch irgendjemand infrage gestellt hat, dass Marine Le Pen ganz rechts außen ist, sind diese Zweifel jetzt beseitigt", sagte er dem Radiosender RTL.

Lassalle nannte Le Pens Äußerung erbärmlich. "Ich finde das zum Kotzen", sagte er dem Sender Franceinfo.

Kritik kommt auch aus Israel

Das israelische Außenministerium warf Le Pen vor, die historische Wahrheit in Abrede zu stellen, zu der sich mehrere französische Präsidenten bekannt hätten. Der damalige französische Präsident Jacques Chirac hatte 1995 eingeräumt, der französische Staat habe "den verbrecherischen Wahn der Besetzer" unterstützt. Die sogenannte Razzia des Pariser Wintervelodroms sei eine "nicht wieder gutzumachende, untilgbare Schuld" Frankreichs.

Le Pen nannte diese Erklärung Chiracs falsch. Im Übrigen gab sie sich missverstanden. Mit Frankreich habe sie nicht die Vichy-Regierung gemeint, sondern General Charles de Gaulle, der 1940 nach London geflohen war und sich zum Chef des Komitees Freies Frankreich erklärt hatte. Es gebe nur eine persönliche Verantwortung der an der Razzia beteiligten Polizisten, schrieb Le Pen in einer Erklärung.

(rent/ap)
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