Politische Unruhen in Venezuela Geplante Verfassungsänderung facht Proteste neu an

Caracas · Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat per Dekret Arbeiten an einer neuen Verfassung angeordnet. Die Staatsordnung soll von einer Versammlung verfasst werden, deren Mitglieder noch nicht bekannt sind. Die Entscheidung sorgt für Empörung

 Auch am Dienstag gingen in Venezuelas Hauptstadt Caracas wieder Hunderttausende auf die Straße.

Auch am Dienstag gingen in Venezuelas Hauptstadt Caracas wieder Hunderttausende auf die Straße.

Foto: rtr, MB/YS

Der angeschlagene venezolanische Präsident Nicolás Maduro ist mit seinen Plänen für eine Verfassungsänderung im von politischen Protesten erschütterten südamerikanischen Land auf breite Ablehnung gestoßen. Die Opposition warf ihm vor, sich damit an die Macht zu klammern. Tausende protestierten auch am Dienstag wieder gegen den Staatschef, in den Straßen der Hauptstadt Caracas errichteten sie Barrikaden aus Betontrümmern, Metallschrott und Mullsäcken.

Maduro hatte am Montag ein Dekret zur Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung unterzeichnet. Ziel sei die Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die von "den Arbeitern" entschieden werden solle und nicht von den Parteien des Landes, sagte er.

Bei einer Fernsehansprache machte Maduro nur vage Angaben zur Auswahl der Mitglieder der Versammlung. Er deutete an, dass manche von Wählern ausgewählt würden, aber viele Beobachter erwarten, dass die Regierung selbst die Mehrheit der Teilnehmer bestimmen wird.

Die Opposition kritisierte die Pläne. Sie seien ein Trick Maduros, um für dieses und nächstes Jahr geplante Regional- und Präsidentschaftswahlen zu verschieben. Umfragen deuten darauf hin, dass Maduros Sozialisten in beiden Wahlen schwere Niederlagen erleiden würden. Das Land leidet unter hoher Inflation und Nahrungsmittelknappheit.

Der Präsident sagte, mit der Versammlung und einer neuen Verfassung solle der Frieden im Land wiederhergestellt werden. Zudem solle die Opposition davon abgehalten werden, einen "Putsch" zu versuchen.
Diese reagierte empört - das Land brauche keine neue Verfassung, sondern Neuwahlen.

Der oppositionelle Parlamentspräsident Julio Borges nannte Maduros Vorschlag einen "riesigen Betrug" und eine "Falle" der Regierung. Damit sollten Maduros Verbündete lediglich um jeden Preis an der Macht gehalten werden. Den Venezolanern werde unterdessen weiter das Recht verweigert, ihre Meinung bei einer Wahl mit ihrer Stimmabgabe kundzutun. "Was die Bürger Venezuelas wollen, ist nicht, die Verfassung zu ändern, sondern Maduro durch eine Wahl abzulösen", sagte Borges.

Er rief das Militär auf, in dem Konflikt einzuschreiten und einen "Putsch" von Maduro zu verhindern. Um die Demokratie im Land wiederherzustellen, sei mehr Druck nötig. Am Mittwoch solle eine weitere Großdemonstration stattfinden.

Sollte es tatsächlich zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung kommen, müsste die Opposition versuchen, eigene Vertreter in die Versammlung zu entsenden, sagte der Politikanalyst Luis Vicente Leon. Das wiederum würde sie von den seit vier Wochen andauernden Straßenprotesten ablenken. "Es ist eine Art, Wahlen abzuhalten, die Kräfte zehren, aber kein Risiko bergen, da es keine allgemeine, direkte und geheime Wahl ist," sagte Leon.

Viele Venezolaner gehen seit Wochen fast täglich auf die Straße und fordern Maduros Amtsenthebung. Mindestens 29 Menschen sind bislang bei den Unruhen ums Leben gekommen. Die Proteste begannen, nachdem der Oberste Gerichtshof des Landes dem Parlament die Macht entzogen hatte und ihm diese erst nach internationalem Druck wieder zugestand.

(th/ap)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort