Konflikt in Venezuela Ein Land, zwei Parlamente

Caracas · Im Ringen um die Macht stehen sich in Venezuela zwei Parlamente gegenüber: Die von der Regierung eingesetzte Verfassungsgebende Versammlung und die reguläre Nationalversammlung. Letztere hat nun neu erlassene Dekrete zurückgewiesen.

 Venezuelas Parlamentspräsident Julio Borges.

Venezuelas Parlamentspräsident Julio Borges.

Foto: rtr, MAB/DAM

Das von der Opposition kontrollierte Parlament Venezuelas hat sich geweigert, die Dekrete der neu eingesetzten Verfassungsgebenden Versammlung anzuerkennen. Die Nationalversammlung stimmte am Montag (Ortszeit) einstimmig gegen die Entscheidung, die Generalstaatsanwältin und Kritikerin von Präsident Nicolás Maduro, Luisa Ortega Díaz, abzusetzen. Außerdem sprachen sich die Abgeordneten gegen einen "Wahrheitsausschuss" aus, den die Verfassungsgebende Versammlung einrichtete, um Recht zu sprechen und Menschen zu verurteilen.

Der Zweck des Ausschusses sei es, jene zu verfolgen, die "anders denken", sagte Oppositionspolitikerin Delsa Solórzano. Maduro sagte dagegen, der Ausschuss solle die Oppositionsführer für die politische Krise im Land zur Verantwortung ziehen. Die Verfassungsgebende Versammlung soll erneut am Dienstag tagen.

Die Opposition rief indes für Dienstag erneut zu Protesten gegen die sozialistische Regierung auf. Die Abgeordneten appellierten an die Bevölkerung, mittags ihre Häuser und Arbeitsplätze zu verlassen, um auf die Straßen zu gehen, den Verkehr zu blockieren und das Land zum Stillstand zu bringen. Seit dem Einsatz der Verfassungsversammlung sind die Teilnehmerzahlen bei den Anti-Regierungs-Demonstrationen zurückgegangen.

Oppositionspolitiker hoffen jedoch darauf, dass es nicht lange dauern wird, die Gegner der Maduro-Regierung zu mobilisieren. "Maduro weiß, dass dieses Land nicht regierbar ist", sagte der Abgeordnete Juan Requesens. Das Einzige, was der Präsident nun wolle, sei, dass die Straßen wie leer gefegt blieben.

Derweil suchen die Behörden weiterhin nach zehn entkommenen Angreifern eines Überfalls auf den Militärstützpunkt Paracamay am Sonntagmorgen. Spezialeinheiten seien im Einsatz, um die Geflüchteten zu finden, sagte Verteidigungsminister Vladimir Padrino López. Nach Regierungsangaben waren bei dem Vorfall zwei der Angreifer getötet und acht weitere festgenommen worden.

Unterstützung erhalten die Regierungskritiker von einem Hacker-Kollektiv namens "The Binary Guardians" (Die Binären Wächter). Es griff am Montag die Online-Auftritte der Regierung, des Obersten Gerichtshofs und der Wahlkommission an. Aber auch private Firmen wie die Telekomfirma Digital waren von der Cyberattacke betroffen.

Die Hacker-Gruppe zeigte im Kurzbotschaftendienst Twitter, was sie auf die gehackten Websites gestellt hatte: eine Erklärung, in der die Attacke auf die Militärbasis unterstützt wurde, ferner ein Auszug aus Charlie Chaplins Film "Der große Diktator". "Unser Kampf ist digital", erklärten die Hacker.

Die USA planen Regierungskreisen zufolge eine Verschärfung der Sanktionen gegen Venezuela. Es würden neue Strafmaßnahmen gegen mehrere ranghohe Personen aus dem Umfeld von Präsident Nicolas Maduro vorbereitet, die noch in dieser Woche verkündet werden könnten, sagten Insider am Montag.

Dies sei eine Reaktion darauf, dass Maduro trotz aller internationaler Mahnungen an der Einsetzung der umstrittenen Verfassungsversammlung festgehalten habe. Amerikanern sollten Geschäfte mit den betroffenen Personen verboten, ihre Vermögen in den USA eingefroren und ihnen Reisen in die Vereinigten Staaten verboten werden. Sanktionen gegen den Ölsektor des Opec-Staates werde es wohl noch nicht geben, um sich noch Spielraum für weitere Schritte vorzubehalten

(beaw/ap/AFP/dpa)
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