Farmville Vertauschte Rollen

Farmville · Im TV-Duell der US-Vizepräsidentschaftskandidaten wirkt der Demokrat fahrig, der Republikaner dagegen souverän.

TV-Duell mit Mike Pence und Tim Kaine: Vertauschte Rollen
Foto: rtr, HK/

Als sich Mike Pence im Karriereknick neu zu erfinden versuchte, wurde er Radiosprecher, damit er nicht vom Radar der Wähler verschwand. Zweimal in Folge, 1988 und 1990, hatte der aufstrebende Republikaner das Duell um einen Sitz im amerikanischen Repräsentantenhaus verloren. Die "Mike Pence Show", ein konservatives Programm, sollte ihm helfen, im Gespräch zu bleiben und die politische Durststrecke zu überbrücken. Seither gilt der heutige Gouverneur Indianas als Spezialist für die kurze, medienwirksam vorgetragene Zeile.

In der Nacht zu gestern machte er sich seine Radio-Erfahrung zunutze, um die blamable Vorstellung Donald Trumps bei der Debattenpremiere mit Hillary Clinton kurzzeitig vergessen zu lassen. Bei einer Fernsehdiskussion mit dem Demokraten Tim Kaine, der ersten und einzigen zwischen den Bewerbern für die Vizepräsidentschaft, hatte der Republikaner das bessere Ende für sich. Vor allem nach Stilpunkten. Pence lächelte, er strahlte Ruhe aus, und wenn Kaine zur Attacke blies, quittierte er diese bisweilen nur mit einem Achselzucken. Das wirkte optisch souverän - ein Kontrastprogramm zu Donald Trump.

Spätestens nach den 90 Minuten im Auditorium der Longwood University im ländlichen Virginia ist klar, welche Rolle Pence im Finale des Wahlkampfs zu spielen hat: Er soll jene Teile der christlich-konservativen Basis, die den dünnhäutigen, leicht reizbaren Geschäftsmann Trump für eine zu riskante Wahl halten, bei der republikanischen Stange halten. Kaine wiederum übernimmt einen Part, wie er der Nummer zwei traditionell zugedacht ist. Er ist der Wadenbeißer, der sich ganz der Abteilung Attacke widmet, was es Clinton erlauben soll, sich ab und an in souveräner Zurückhaltung zu üben. Im Wortstreit mit Pence allerdings hat sich der Senator aus Virginia, eigentlich kein Freund lauter Töne, zu sehr hineingesteigert in seine Rolle. Kaine fiel seinem Kontrahenten so oft ins Wort, dass dieser sich umso staatsmännischer geben konnte.

Auch inhaltlich geht es bei dem Zweikampf darum, Kontraste scharf nachzuzeichnen. Kaine erzählt die Erfolgsgeschichten der Ära Barack Obamas; sie handeln von stetigem, wenn auch noch zu langsamem Wirtschaftswachstum, der Tötung Osama bin Ladens, dem Truppenabzug aus dem Irak. Pence zeichnet ein anderes Bild: In seiner Skizze liegt die Wirtschaft im Rostgürtel der alten Industrie vollends am Boden, außenpolitisch herrscht Orientierungslosigkeit und im Weißen Haus Führungsschwäche.

Während sich Pence um eine seriöse Note bemüht, pfeift Trump auf den Anschein von Seriosität. Aus seinem New Yorker Hochhausturm begleitet er die Debatte mit einer Lawine an Tweets. Kaine, schreibt er in einem, sehe aus wie der finstere Schurke in Batman-Filmen.

(RP)
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