Nach Donald Trumps Sieg Wir brauchen die Populisten der Mitte

Meinung | Düsseldorf · Donald Trumps Wahlsieg ist kein Weltuntergang. Der Chauvinist aus New York ist kein Diktator. Und Demokratie ist eben auch mal unbequem. Wichtiger sind die Lehren aus dem Sieg. Eine ist: Populismus lernen.

 Donald Trump wurde zum 45. Präsidenten der USA gewählt.

Donald Trump wurde zum 45. Präsidenten der USA gewählt.

Foto: ap, EV

Die Wähler der Vereinigten Staaten haben erneut "Change" gewählt. Wechsel. Nur anders als gedacht. Donald Trump, der Außenseiter aus New York, der 70-jährige Immobilien-Milliardär mit dem rüpelhaften Verhalten, der Ex-Talkshow-Moderator mit dem Faible für frauenverachtende und rassistische Sprüche, wird der 45. Präsident der USA. Donald Trump in einer Reihe mit George Washington, Abraham Lincoln, Franklin D. Roosevelt, John F. Kennedy. Da wird das Durchatmen zu einer schwierigen körperlichen Übung. Demokratie kann wehtun. Aber, thank God, es ist Demokratie.

Was nun? Ruhe bewahren. Die Welt hat schon Schlimmeres überstanden. Die USA sind ein Rechtsstaat. Trump wird seine Wahlkampfideen nicht eins zu eins in Gesetze gießen können. Folter wird nicht Staatskunst. Frauen- und Minderheitenrechte sind konstituierend. Allen Muslimen die Einreise zu verweigern, dürfte ebenfalls schwierig werden. Zumal dann, wenn sie Amerikaner sind. Und die Mauer zu Mexiko wird wohl auch nie gebaut. Und es gibt noch andere Staatschefs, die den Atomknopf haben und über die wir viel weniger wissen. Also: Man wird mit Donald Trump arbeiten lernen. Verhandeln. Kompromisse schließen. Er ist kein Erdogan. Kein Putin. Kein Kim Jong-un. Er ist — zumindest bisher — nur ein Chauvinist, Narzisst und Nationalist. Ein Unberechenbarer.

Die politischen Lehren aus Trumps Triumph sind offensichtlich. Es waren nicht nur die Armen und Abgehängten, die den Mann mit schottischen und deutschen Wurzeln ins Weiße Haus brachten. Knapp 60 Millionen Amerikaner stimmten für Trump. Eine Volksbewegung. Sie speist sich aus Ängsten vor Zuwanderung und wirtschaftlichem Abstieg. Aus Enttäuschung über den zerbröselnden amerikanischen Traum für viele Mitglieder der Mittelschicht. Aber vor allem aus dem Frust über "die da oben". Je mehr die etablierten Politiker (und Medien) Trump attackierten, desto mehr schlossen sich offenbar die Reihen hinter Trump. Die Demoskopen und viele Journalisten ahnten nichts. Die Anonymität der Wahlkabine ist die Waffe dieser Bewegung. Dieses Phänomen ist aber nicht exklusiv amerikanisch. Der Corpsgeist dieser Oppositionellen existiert auch in Europa. Im Klartext: Wenn Donald Trump US-Präsident werden kann, kann Marine Le Pen auch in den Élysée-Palast einziehen. Und die AfD in den Bundestag. Undenkbar ist nichts.

"Make politics great again"

Die Regierenden können darauf reagieren. Alle Themen müssen auf den Tisch. Auch die unbequemen. Sie müssen ihre teils überhebliche Rhetorik überdenken und Wählerbeschimpfung meiden. Sie müssen alles daran setzen, die Spaltung in den Wohlstands-Gesellschaften mit parteiübergreifendem Lösungswillen zu verhindern. Und zuhören. Niemand muss Verständnis für Sexismus, Rassismus und Abschottung haben. Aber die Elite, zu der auch die Medien gehören, die Trumps Sieg nicht ahnten oder ahnen wollten, muss dringend eine Antwort darauf finden, warum sich gerade in stabilen Demokratien Millionen von den Gewählten abwenden. Das Erklären von Politik, das konsequente Werben für Freihandel, Globalisierung und die demokratische Marktwirtschaft ist kein Selbstläufer. Die Grundwerte für die wir einstehen, der Respekt vor Minderheiten und fremden Kulturen, muss täglich verteidigt werden. Nicht mit erhobenem moralischen Zeigefinger. Mit nüchterner Klarheit. Es gibt nicht die "Guten" und die "Bösen". Es gibt viel Unverständnis, Vorurteile. Die Achtung der Menschenwürde ist die Basis. Das zu betonen, reicht aber nicht. Jetzt brauchen auch andere die Leidenschaft und Härte, die Chuzpe, die Trump auf die Bühne brachte, um den Rechtspopulisten in Europa den Wind aus den Segeln zu nehmen. "Make politics great again" muss die Antwort lauten. Wir brauchen die Populisten der Mitte.

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(brö)
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