US-Präsidentschaftswahlen Donald Trump — Held der Verlierer

Washington · Schlussspurt in den USA: Der Außenseiter Donald Trump ist bedrohlich nahe an die Favoritin Hillary Clinton herangekommen. In wenigen Tagen entscheidet sich, ob Trump oder Clinton ins Weiße Haus zieht. Ein Blick zurück.

Der rasante Aufstieg Trumps zum US-Präsidentschaftskandidaten
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Foto: afp, cf/lwc

Einmal im Jahr versuchen sich amerikanische Präsidenten in der Kunst der Selbstironie. Beim "White House Correspondents' Dinner" witzeln sie vor der versammelten Hauptstadtpresse in Washington über sich selbst, über Parteifreunde und politische Gegner, und wer zur Zielscheibe des gepflegten Spotts wird, sollte am besten mitlachen. Im April 2011 war es Donald Trump, der auf diese Weise aufs Korn genommen wurde. Von Barack Obama, dem Präsidenten, dem er unterstellte, nicht auf amerikanischem Boden geboren zu sein und damit gar nicht im Oval Office sitzen zu dürfen.

Drei Tage zuvor hatte Obama auch den letzten Zweifel ausgeräumt, indem er seine Geburtsurkunde, ausgestellt in Honolulu, öffentlich machte. Er wisse ja, zog er Trump auf, niemand sei glücklicher als "The Donald", dass die Sache endlich erledigt sei. Denn nun könne sich Donald endlich den wichtigen Fragen des Lebens zuwenden: "Haben wir die Mondlandung gefälscht? Was geschah wirklich in Roswell?", fragte Obama und meinte eine Kleinstadt in der Wüste New Mexicos, in deren Nähe 1947 der Legende nach ein Ufo abstürzte.

Donald Trump: Das ist der Unternehmer und Ex-Präsident
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Das ist Donald Trump

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Foto: AP/Andrew Harnik

Statt wenigstens so zu tun, als ließe er die Spitzen souverän über sich ergehen, saß Donald Trump mit versteinerter Miene an seinem Tisch. An dem Abend, glaubt sein langjähriger Berater Roger Stone, habe der Immobilienmogul beschlossen, sich eines Tages für die Präsidentschaft zu bewerben. An dem Abend habe er sich geschworen, es allen zu zeigen. Weil man sich über einen Donald Trump nicht ungestraft lustig mache.

Alle, Humoristen wie Experten, haben sich geirrt

Als er vor knapp anderthalb Jahren auf der Rolltreppe seines Wohnturms an der Fifth Avenue in Manhattan nach unten ins Foyer fuhr, um dort zu verkünden, dass er seinen Hut in den Ring werfe, war das Gelächter groß. Das Satiremagazin "The Onion" beschrieb seine vermeintliche Chancenlosigkeit, indem es ihm einen launigen Wahlkampfslogan empfahl: "Ich mache das von nun an alle vier Jahre, bis ich sterbe."

Alle, Humoristen wie Experten, haben sich geirrt. Im Vorwahlmarathon der Republikaner setzte sich der Außenseiter gegen 16 Mitbewerber durch. Er besiegte den Favoriten Jeb Bush ebenso wie den aufstrebenden Marco Rubio. Die Erfahrung eines Berufspolitikers war nicht das, womit man sich aus der Sicht der Wutbürger, vornehmlich weißer Wutbürger, fürs Oval Office qualifizierte. Sie wollten einen Anti-Politiker. Einen Geschäftsmann ohne Erfahrung in den Parteiengräben Washingtons.

Die Aufreger-Sprüche des Donald Trump
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Foto: afp, em

Trump hat Menschen Hoffnung gemacht, die sich als Verlierer sehen, als Verlierer der Globalisierung, als potenzielle Verlierer des demografischen Wandels in den USA. Ihm, dem Milliardär aus New York, ist es gelungen, zum Sprecher derer zu werden, die sich abgehängt fühlen, verraten und vergessen von den Etablierten, seien es Demokraten oder Republikaner. Dazu bediente er sich der Techniken eines Entertainers, dem egal ist, wie stark er die Wirklichkeit verzerrt. Hauptsache, die Botschaft findet Gehör.

Der Schock im liberalen Teil der Gesellschaft sitzt tief

Tony Schwartz, der 1987 als Ghostwriter des Unternehmers die Erfolgsfibel "The Art of the Deal" ("Die Kunst des Handels") schrieb, erfand seinerzeit den Begriff der wahrheitsgemäßen Übertreibung, um das, was er heute Trumps zwanghaften Hang zum Lügen nennt, hinter einem "akzeptablen Gesicht" zu verbergen. Spricht man mit Trumps Anhängern in der Provinz, ist oft zu hören, dass er ihnen trotz seines glamourösen Lebens an der teuersten Straße Manhattans durchaus vertraut sei, nämlich aus dem "Apprentice". Aus der Reality-Show, die 2004 Premiere feierte und in deren Verlauf er geeignete Kandidaten einstellte, während er anderen mit einem resoluten "Du bist gefeuert!" den Stuhl vor die Tür setzte.

Nach Tony Schwartz' Worten handelt er nach der Devise, dass man etwas nur oft genug wiederholen müsse, dann werde es das Publikum schon irgendwann glauben. Nach dieser Masche suggeriert er im Kampagnenendspurt, wer für Hillary Clinton stimme, vergeude nur seine Stimme. Der wähle womöglich eine Frau, gegen die wegen der E-Mail-Affäre bald Anklage erhoben werden könnte — man wisse ja nie.

Er sitzt tief, der Schock, den der Erfolg des Demagogen im liberalen Teil der US-Gesellschaft ausgelöst hat. Selbst Publikationen, deren Grundton normalerweise zurückhaltend ist, haben überaus scharfe Worte gefunden. Trump, schrieb die Zeitschrift "The Atlantic" in einem Leitartikel, sei eine Krämerseele, die Verschwörungstheorien und Rassismus verbreite, ein erbärmlicher Sexist, sprunghaft, fremdenfeindlich, ein Bewunderer autoritärer Herrscher, leicht reizbar, ein Feind des faktenbasierten Diskurses, dem die Verfassung gleichgültig sei und der nicht zu lesen scheine.

Die Fans des 70-Jährigen hat es nicht interessiert: Für sie war es nur ein Beleg mehr für die Ratlosigkeit des Establishments.

(FH)
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