Demokraten befürchten nervenaufreibende Vorwahl Clinton zeigt im Duell mit Sanders nur wenig Überzeugungskraft

Washington · Zumindest innerhalb der Demokraten schien Hillary Clinton bisher niemand im Wege zu stehen - außer Parteifreund Bernie Sanders. Dessen jüngste Erfolge quittierte sie mit scharfer Rhetorik. Sie kritisierte seine Pläne im Bereich Gesundheit, Finanzen und Außenpolitik ebenso wie seine vermeintlich unklare Haltung zum Thema Waffenbesitz. Sie ging sogar so weit, seine grundsätzliche "Wählbarkeit" infrage zu stellen.

 Hillary Clinton und Bernie Sanders am 17. Januar 2016.

Hillary Clinton und Bernie Sanders am 17. Januar 2016.

Foto: ap

Der erhoffte Befreiungsschlag gelang ihr damit keineswegs. Im Gegenteil: Die Demokraten fürchten nun eine nervenaufreibende Vorwahl, die der Partei nachhaltig schaden könnte. Die meisten Demokraten gehen zwar noch immer davon aus, dass Clinton sich die Nominierung für die Präsidentschaftswahl am Ende sichern wird. Aber viele sehen im Duell mit Sanders zunehmend auch ihre Schwächen. Dadurch könnte die frühere Außenministerin zumindest in einigen Staaten die sicher geglaubten Mehrheiten verfehlen.

Was aber noch viel schwerer wiegt: Der parteiinterne Wettstreit, der für viele Beobachter überraschend offen ausgetragen wird, scheint die Kritik der Republikaner an Clinton zu bestätigen. "Sie haben ihn nicht hinreichend ernst genommen", sagt der Clinton-Unterstützer John Morgan aus Florida mit Blick auf Sanders. Das Wahlkampfteam habe den parteiinternen Konkurrenten lediglich als Störenfried betrachtet. Nun aber ziehe er im ganzen Land die Aufmerksamkeit auf sich.

Zwar hat sich Sanders mit direkten inhaltlichen Angriffen bisher zurückgehalten. Aber viele Demokraten sind der Ansicht, dass Clinton auch auf vorsichtig vorgetragene Kritik bessere Antworten braucht, vor allem im Hinblick auf ihre umstrittene Nähe zu einigen Akteuren an der Wall Street.

"Je besser ihr das gelingt, desto mehr geraten diese Geschichten in den Köpfen der Wähler wieder in den Hintergrund", sagt die demokratische Wahlkampfstrategin Mary Anne Marsh. Stattdessen aber seien nun auch andere heikle Themen wieder zurück auf der politischen Agenda - so etwa der viel kritisierte Umgang Clintons mit dem Anschlag islamistischer Extremisten auf die US-Botschaft im libyschen Bengasi im Jahr 2012 oder die Affäre um die Nutzung eines privaten E-Mail-Kontos während ihrer Zeit im US-Außenministerium.

Wie aus knapp zwei Dutzend Interviews der Nachrichtenagentur AP mit Demokraten aus dem Umfeld von Clinton hervorgeht, ist die Sorge derzeit groß - bei Meinungsforschern und Strategen ebenso wie bei Spendern. Aus Kreisen ihrer engsten Unterstützer hieß es, dass bei einer internen Veranstaltung in New York in dieser Woche auch ihr Ehemann, der frühere Präsident Bill Clinton, und Tochter Chelsea deutliche Bedenken geäußert hätten.

Vor allem bei den eher liberalen Aktivisten innerhalb der Partei, deren Einfluss im Laufe der beiden Amtszeiten von Barack Obama stark gewachsen ist, scheint Clinton nicht so richtig anzukommen. "Clintons Botschaft war schon immer mehr auf ein allgemeines Wahlpublikum ausgerichtet als auf die bei einer Vorwahl entscheidende Basis der Aktivisten", sagt Ben LaBolt, der einst für Obama im Wahlkampf als Stratege engagiert war.

Die Gegensätzlichkeit der beiden demokratischen Top-Kandidaten wurde ganz aktuell am Beispiel zweier Werbespots deutlich. Sanders ließ in einem am Donnerstag veröffentlichten Clip vor allem Bilder sprechen. Zur Musik des Songs "America" von Simon and Garfunkel wurden die jubelnden Mengen bei seinen öffentlichen Auftritten gezeigt. Ganz anders Clinton, die kürzlich in einem ihrer Wahlkampfvideos mit vielen Worten umständlich über ihre Pläne und Erfahrungen berichtete.

Gleichzeitig hat sich Sanders in seiner Kritik an Clinton in den vergangenen Tagen haarscharf an die Grenze dessen herangewagt, was im Rahmen seiner Kampagne bisher als zentrales Versprechen galt - nämlich von expliziten Angriffen auf die Parteifreundin abzusehen. "Ohne jetzt irgendwelche Namen zu nennen, Goldman Sachs soll ja bestimmten, nicht genannten Kandidaten auch sehr, sehr großzügige Rednerhonorare zahlen", sagte er in dieser Woche in eindeutiger Anspielung auf Clinton bei einer Veranstaltung in Iowa.

Für die Republikaner war das natürlich eine Steilvorlage. Das Republican National Committee, das Gremium, das unter anderem für die Koordinierung des Wahlkampfes der Partei zuständig ist, legte prompt nach und streute auf das Thema eingehende E-Mails. Die Konservativen scheinen darin eine gleich doppelt günstige Gelegenheit zu sehen. Zum einen stärken sie im Wettstreit der Demokraten Sanders, den sie im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl offenbar für den weniger zu fürchtenden Kandidaten halten. Zum anderen verfestigen sie das in diesem Punkt negative Image von Clinton.

Das Team von Clinton beschuldigte Sanders in einer öffentlichen Stellungnahme, sich von den Republikanern zu Angriffen auf sie anstacheln zu lassen - so sehr es in diesem Fall eher umgekehrt gewesen zu sein schien. Die Team-Sprecherin Jennifer Palmieri sagte, es sei offensichtlich, das Clinton die Kandidatin sei, die von den Republikanern als Bedrohung empfunden werde.

In jedem Fall hat sich der Ton zwischen den beiden Demokraten inzwischen klar verschärft. Als Sanders im vergangenen Sommer in den Umfragen zulegte, vermied das Clinton-Lager noch jede allzu offene Kritik an dem Parteifreund - vor allem aus Rücksicht auf den liberalen Flügel, dessen volle Unterstützung bei der Präsidentschaftswahl im Herbst entscheidend sein könnte. Von dieser Zurückhaltung ist im Moment nur noch wenig zu spüren.

(ap/isw)
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