Kostspielig und umstritten US-Kongress muss über NSA-Abhörprogramm entscheiden

Washington · Der Kongress in Washington muss bald entscheiden, wie es mit dem NSA-Programm zum Sammeln und Speichern von Anrufmitschnitten in den USA weitergeht. Viele Abgeordnete halten trotz internationaler Kritik an der Praxis fest. Obama will Telefonkonzerne einbinden.

Berühmte "Whistleblower" der jüngeren Geschichte
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Foto: dpa

Das kostspielige und umstrittene NSA-Geheimprogramm zum Sammeln und Speichern von Telefonmitschnitten in den USA war bereits vor der Enthüllung durch Ex-Mitarbeiter Edward Snowden intern umstritten. Schon Monate, bevor Snowden die umstrittene Praxis aufdeckte, dachte die Geheimdienstbehörde über ein Ende des Programms nach.

Der Grund: Die Kosten standen in keinem Verhältnis zum spärlichen Ertrag für die Terrorismusabwehr. So berichten es derzeitige und frühere Geheimdienstmitarbeiter der Nachrichtenagentur AP.

Nach dem Bekanntwerden und der weltweiten Empörung über das Programm rang sich die NSA-Führung dennoch dazu durch, die kollektiven Mitschnitte zu verteidigen - sowohl im US-Kongress als auch in der Öffentlichkeit. Die interne Debatte über die Praxis wurde dabei verschwiegen.

Die Beschützerin von Edward Snowden
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Der Vorschlag, das Programm stillschweigend zu killen, zirkulierte demnach unter Spitzenbeamten der Behörde. Den Tisch des damaligen NSA-Direktors Keith Alexander erreichte er nicht. Zwei hochrangige Ex-NSA-Mitarbeiter bezweifeln, dass der Entwurf die Zustimmung von Alexander erhalten hätte.

Die Bedenken innerhalb des Geheimdienstes könnten nun bei einer Entscheidung des Kongresses zur Fortführung des Programmes eine bedeutende Rolle spielen. Die Abgeordneten wollen demnächst entscheiden, ob die Praxis erneuert oder modifiziert wird, wenn das Gesetz, das sie erlaubt, im Juni ausläuft.

Die interne Kritik unterstreicht, dass die Kosten des Absaugens von nahezu jeder inländischen Telefonleitung in den USA in die Höhe schnellten - und das, obwohl das System noch nicht einmal die meisten Handygespräche einfingen. Darüber hinaus schätzten die Mitarbeiter das Programm als nicht entscheidend für das Vereiteln von Terrorpläne ein. Dieses Missverhältnis zwischen Kosten und Ertrag, so befürchteten sie, werde zu öffentlicher Entrüstung führen, wenn das Programm öffentlich würde.

Nach der Enthüllung durch Snowden dann kam das Abhörprogramm ins Kreuzfeuer von Bürgerrechtlern. Die Aufnahmen könnten dem Geheimdienst dazu dienen, alle private Aktivitäten von US-Bürgern aufzuschlüsseln, lautete die Kritik. Die NSA-Vertreter mussten dem energisch entgegentreten, um die öffentliche Empörung zu glätten.

Wer hört wen ab - und was man dagegen tun kann
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Foto: dpa, Jens Büttner

Als Reaktion auf die weit verbreitete Kritik schlug US-Präsident Barack Obama im Januar 2014 vor, dass die NSA das Sammeln der Aufnahmen beenden solle. Stattdessen solle die Behörde im Falle von Terrorermittlungen Mitschnitte von Telekommunikationsunternehmen anfordern dürfen, die diese meist für 18 Monate speichern.

Der Präsident besteht darauf, dass die Gesetzgebung seinen Vorschlag übernimmt. Der Kongress hat aber noch nicht gehandelt. Deshalb sammelt und speichert die NSA private Telefongespräche der Amerikaner nach wie vor, um sie nach Absatz 215 des sogenannten Patriot Act bei Terrorermittlungen zu gebrauchen. Viele Abgeordnete wollen, dass das Programm so weiterläuft wie gehabt.

Alexander, im März 2014 als NSA-Chef zurückgetreten, argumentiert, dass das Abhörprogramm ein wesentliches Werkzeug war, weil es FBI und NSA erlaubt, US-Anrufe nach Telefonaten mit internationalen Terroristen zu durchkämmen, um Anschläge im Inland zu vereiteln. Er unterstützt wie andere NSA-Vertreter Obamas Plan, die Telefonkonzerne das Speichern der Daten übernehmen zu lassen - immer vorausgesetzt, dass die Regierung im Fall der Fälle schnell darauf zugreifen kann.

Bürgerrechtler sagen dagegen, es sei keine gute Idee, Geheimdienstlern die Möglichkeit zu geben, im großen Stil Privatgespräche abzugreifen. Sie führen die Nutzlosigkeit des Systems an. Nur ein einziger Terrorverdächtiger aus dem Inland sei durch das Programm entdeckt worden, heißt es: ein Taxifahrer aus San Diego, der verurteilt wurde, weil er 15 000 Dollar für eine somalische Terrorgruppe bereitgestellt hatte.

Einige bemängeln, dass die NSA die interne Debatte über das Programm nicht öffentlich gemacht hat. Die Erfahrungen mit den US-Geheimdiensten seien immer dieselben, sagt der Abgeordnete Justin Amash, ein Republikaner. "Selbst wenn wir Hintergrund-Briefings bekommen, ist es wie ein Spiel mit 20 Fragen, und wir können keiner Sache auf den Grund gehen."

Die Chronologie des Falles "Edward Snowden"
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Die Chronologie des Falles „Edward Snowden“

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Der 2013 kursierende Vorschlag, die Praxis zu stoppen, hat nichts zu tun mit der Untersuchung des Programms im Jahr 2009, die durch Bedenken eines hochrangigen NSA-Mitarbeiters ausgelöst und im November von der Nachrichtenagentur AP öffentlich gemacht wurde. In dem Fall war ein Verschlüsselungsexperte zu dem Schluss gekommen, dass das Vorgehen der Behörde falsch sei.

Doch nach den Sorgen des Entschlüsslers über das Programm ging die interne Debatte nach Angaben anderer früherer und aktiver Mitarbeiter weiter. Diese verglichen die Praxis mit einer einer teuren Versicherungspolice, die immer weniger abdeckt - wegen der fehlenden Mobilfunkdaten. Und es war bereits klar, dass das Programm eine Kontroverse auslösen würde, sobald sie an die Öffentlichkeit gelangt. Einige NSA-Mitarbeiter waren deshalb im Jahr 2013 dazu bereit, das Sammeln und Speichern zu stoppen.

Nach den Snowden-Enthüllungen sahen unabhängige Experten das ähnlich.
Eine zuständige präsidiale Arbeitsgruppe riet dazu, das Programm zu beenden, weil es ein unakzeptables Risiko für die Privatsphäre der US-Bürger darstelle - und weil es kaum etwas im Kampf gegen den Terror bewirke.

(ap)
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