Israel Ungeduldiges Warten auf die Freiheit

Mawasi (rpo). Die israelische Armee will am 7. September mit der Zerstörung der geräumten jüdischen Siedlungen im Gazastreifen beginnen. Der Abriss der Häuser werde drei Wochen nach Beginn des Rückzugs starten. Unterdessen können viele Einwohner den Abzug der israelischen Armee und der jüdischen Siedlungen aus dem Gazastreifen nicht mehr abwarten.

Die Arbeiten sollten etwa zwei bis drei Wochen dauern. Israel will am 17. August mit seinem Abzug aus dem Gazastreifen beginnen. In den 21 jüdischen Siedlungen in der Region wurden rund 1.200 Häuser errichtet.

In wenigen Tagen wird Ismail Schalluf keine Arbeit mehr haben. Aber "Freiheit ist wichtiger als Geld", sagt der 42-jährige Vater von sechs Kindern. Die Einwohner von Mawasi können den Abzug der israelischen Armee und der jüdischen Siedler aus dem Gazastreifen, der am 17. August beginnen soll, kaum erwarten. "Ihr Weggang wird ein Fest für uns sein", sagt Raid Lahham. Der Abzug werde die "Gefangenschaft" der Menschen von Mawasi beenden. Eingeengt zwischen dem Meer im Westen und der Siedlung Gusch Katif im Osten leben 8000 Palästinenser - abgeschnitten vom Rest des Gazastreifens.

Seine israelische Chefin Orna werde er schon vermissen, gibt Schalluf zu. Mit ihr habe er sich immer gut verstanden. Seit 15 Jahren züchtete er Tomaten und Gurken in dem Siedlungsblock Rafah Jam, für umgerechnet rund 240 Euro im Monat. Seine Arbeitgeberin wird gehen, aber mit ihr und den Siedlern wird auch der Würgegriff um Mawasi ein Ende haben, sagen die Einwohner.

Das etwa 20 Quadratkilometer große Mawasi ist umgeben von Siedlern, Armeestützpunkten und Kontrollposten. Die nächste palästinensische Stadt ist Chan Junis im Süden des Gazastreifens. Theoretisch sind es nur drei Kilometer. Doch die Reise dorthin kann Tage dauern. Größtes Hindernis ist der Checkpoint el Tufah, der in den Palästinensergebieten berüchtigt ist wegen der strikten Armeekontrollen. Die Öffnungszeiten sind unvorhersehbar, und manchmal müssen die Einwohner von Mawasi tagelang warten, bis sie den Kontrollpunkt passieren dürfen.

Im Staub vor dem Checkpoint hocken einige Einwohner, die Schutz vor der sengenden Hitze gesucht haben, und schlagen die Zeit tot. Sie diskutieren über den bevorstehenden Abzug der Israelis. "Fünf Jahre lang sind wir hier eingesperrt gewesen", sagt Lahham. Erst wenn die Siedler und die Soldaten gingen, "erhalten wir unsere Freiheit zurück". "Wir werden wie die Vöglein singen, die aus ihrem Käfig befreit werden", prophezeit sein Cousin Suheir.

Unbehelligt fahren jüdische Siedler mit ihren Autos durch Mawasi, die allesamt mit einem orange-farbenen Band geschmückt sind. Orange ist die Farbe des Widerstands von Siedlern und rechtsgerichten Israelis geworden, die den Abzugsplan von Israels Regierungschef Ariel Scharon ablehnen. Weiter entfernt zieht ein Esel einen Karren mit einer Kinderschar auf dem sandigen Uferweg. Auf der einen Seite, hinter einem Zaun geschützt, liegt die Siedlung Schirat Hajam, mit einem unverbaubaren Blick aufs Meer. Auf der anderen Seite sind die kümmerlichen Häuser der Palästinenser inmitten eines Palmenhains. Im Wasser planschen einige Kinder, Fischerboote rosten vor sich hin.

In einem der drei bescheidenen Gesundheitszentren bereitet Chaled Bardawil einen Notfallplan vor - der Arzt will so gut wie möglich für alle Eventualitäten während des Rückzugs der Israelis gerüstet sein. Bardawil glaubt, dass es den Menschen von Mawasi nach dem Abzug besser gehen wird, auch wenn einige dutzend von ihnen dadurch ihre Jobs in den Siedlungen verlieren. Die derzeitige Arbeitslosigkeit schätzt der Arzt auf 90 Prozent; viel schlimmer kann es ohnehin nicht mehr werden.

Für einen Aufschwung in Freiheit setzten die Menschen in Mawasi vor allem auf die Landwirtschaft und die Fischerei, sagt Bardawil. Bald könnten die Produkte nämlich im gesamten Gazastreifen verkauft werden. Heute dagegen "verfaulen unsere Guaven, unsere Oliven, Datteln und Fischer, weil wir keinen Markt dafür haben".

Am Checkpoint el Tufah humpelt Fatima Lahham langsam auf eines der verbeulten Taxis zu, die auf ihre rare Kundschaft warten. "Ich habe drei Tage hintereinander von morgens bis abends gewartet, bevor sie mir erlaubten, nach Mawasi zurückzukehren", berichtet die ganz in Schwarz gekleidete 57-Jährige. Sie hatte nach Chan Junis fahren müssen, um sich dort im Krankenhaus wegen eines Knieleidens behandeln zu lassen. "Ich zähle die Minuten, ja die Sekunden bis zum Weggang der Juden, denn diese Demütigung, die sie uns zufügen, ist die schlimmste der Welt."

(afp)
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