Ukrainischer Außenminister Pawlo Klimkin "Moskau ist an einer Lösung nicht interessiert"

Düsseldorf · Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin zweifelt im Interview mit unserer Redaktion am guten Willen Russlands und will gegen deutsche Firmen vorgehen, die die Sanktionen umgehen.

 "Die Ukraine ist ein Rechtsstaat": Außenminister Pawlo Klimkin.

"Die Ukraine ist ein Rechtsstaat": Außenminister Pawlo Klimkin.

Foto: afp

Herr Klimkin, wie ist die aktuelle Lage in der Ost-Ukraine?

Klimkin Sie bleibt angespannt. Aufgrund der andauernden bewaffneten Provokationen der russischen Armee erscheint es derzeit unmöglich, die humanitäre Lage der Zivilbevölkerung in der Region zu verbessern. Es ist uns Ende 2017 zwar gelungen, 73 unserer Gefangenen zu befreien. Nach jahrelangen Verhandlungen durften sie endlich nach Hause und versuchen nun, zu einem normalen Leben zurückzukehren. Es steht uns jedoch im Hinblick auf die weiteren Punkte der Minsker Vereinbarungen noch ein langer Weg bevor. Ich habe die Lage vor kurzem mit meinem deutschen Kollegen Sigmar Gabriel sehr detailliert besprochen. Es ist wichtig, dass wir beide innerhalb des sogenannten Normandie-Formats gemeinsam mit den Franzosen dieselbe Position einnehmen — was die Einschätzung der Lage angeht wie auch die nächsten gemeinsamen Schritte, um eine Lösung zu finden. Wobei uns klar ist, dass dies nicht leicht wird, denn der Aggressor, also Russland, lehnt solche Schritte strikt ab. Dies zeigt uns, dass Moskau nicht daran interessiert ist, zur Lösung des Konflikts beizutragen.

Es gibt den Vorschlag, eine Blauhelm-Mission dorthin zu entsenden.

Klimkin Wir bleiben in dieser Hinsicht den Minsker Vereinbarungen treu und halten uns an das UN-Prozedere, denn eine solche Mission würde unter einem UN-Mandat operieren. Ich fürchte jedoch, Russland versucht lediglich Zeit zu gewinnen und will die Arbeit einer Blauhelm-Mission im gesamten Kriegsgebiet gar nicht ernsthaft ermöglichen. Der Austritt russischer Beobachter aus dem gemeinsamen Zentrum für Kontrolle und Koordinierung der Waffenruhe im Donbas Ende des vergangenen Jahres ist für uns in dieser Hinsicht ein unerfreuliches Signal gewesen. Auch innerhalb des UN-Sicherheitsrates stocken die Gespräche aufgrund der fehlenden Bereitschaft der russischen Seite, von einem Lippenbekenntnis zu konkreten Taten überzugehen. Was den russischen Vorschlag betrifft, in diesen Prozess die sogenannten Vertreter der von Russland besetzten Gebiete im Donbas einzubeziehen, so ist er völlig inakzeptabel. Das ist nicht nur unsere Position, sondern auch unserer Partner im Westen sowie der Uno.

Was sagen Sie zu der Kritik an der Lieferung amerikanischer Waffen für die ukrainische Armee?

Klimkin Unser Dialog darüber mit den Amerikanern ist ja nicht neu. Wir sind unseren westlichen Partnern sehr dankbar für ihre konsequente Unterstützung unserer Bemühungen, die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine in ihrem Widerstand gegen eine der größten militärischen Mächte der Welt zu stärken. Zwei Dinge möchte ich aber betonen: Wir sind in unserem Land und haben im Fall des Angriffs auf unser Territorium das souveräne Recht auf Verteidigung. Und künftige Lieferungen moderner Verteidigungsausrüstung aus den USA dienen ausschließlich der Abschreckung eines neuen russischen Großangriffs wie er 2014 und 2015 erfolgt ist.

… aber bringen uns noch mehr Waffen einem Frieden näher?

Klimkin Wir haben Verständnis für die deutsche Haltung, dass ein Friedensprozess ausschließlich durch eine politische Lösung voranzutreiben ist. Ohne die klare Haltung der Bundeskanzlerin wäre der gesamte politische Prozess noch viel schleppender verlaufen. Und wir wissen auch die deutsche Unterstützung für die Ukraine zu schätzen, etwa die Behandlung ukrainischer Soldaten in Bundeswehrkliniken. Oder auch die humanitären Projekte, die vielen betroffen Menschen aus den zerstörten Gebieten im Osten der Ukraine ein neues Zuhause geben.

Welches sind aus Ihrer Sicht die Prioritäten in der Zusammenarbeit mit der nächsten Regierung in Berlin?

Klimkin Unsere gemeinsamen Bemühungen mit dem Ziel, der russischen Aggression gegen die Ukraine ein Ende zu setzen, sollen fortgesetzt werden. Die Sanktionen müssen bleiben. Ihre Wirkung ist nicht von der Hand zu weisen. Eine auch nur teilweise Aufhebung der Sanktionen, bevor Moskau alle Bedingungen des Minsker Abkommens erfüllt hat, würde von Kreml als Schwäche des Westens dargestellt werden und zur Spaltung Europas führen. Und dies ist ja - auch wenn das viele nur ungern hören wollen - das Hauptziel Russlands. Wir setzen darüber hinaus auf eine stärkere Präsenz deutscher Unternehmen. Vor einigen Tagen hatte ich ein sehr konstruktives Gespräch mit Vertretern der deutschen Wirtschaft in der Ukraine. Dieses Gespräch wie auch die bilaterale Handelsstatistik zeugen von einer klaren Trend: Das Interesse deutscher Firmen an die Ukraine nimmt zu. Und das auch mit Recht — die gute Logistik und vergleichsweise niedrige Löhne haben bereits zahlreiche Investoren ins Land gelockt. Außerdem profitieren deutsche Unternehmen von den ersten Ergebnissen des Reformprozesses, den wir eingeleitet haben. Viele Geschäftsleute haben die Ukraine als Land neuer Chancen entdeckt. Diese Tendenz wollen wir weiter pflegen, mit dem Ziel, die Zahl der geschäftlichen Erfolgsgeschichten hierzulande zu erhöhen.

Sie haben juristische Schritte gegen Adidas und VW angekündigt, weil sie die Krim wie russisches Staatsgebiet behandeln. Wie soll das gehen?

Klimkin Die Ukraine ist ein Rechtsstaat. Auch international setzen wir insofern auf eine konsequente Haltung der Weltgemeinschaft. Jegliche Versuche, die aufgrund der Krim-Annexion erlassenen Russland-Sanktionen auf die eine oder andere Art zu umgehen, müssen rechtlich geahndet werden. Manche finden es übertrieben, in diesem Zusammenhang an die Werte der EU zu appellieren — ich bin da anderer Meinung. Uns steht eine breite Palette rechtlicher Mechanismen zur Verfügung, derer wir uns bedienen können. Wir sind gerade dabei, eine ausgewogene Lösung zu finden. Einzelheiten kann ich allerdings noch nicht verraten, da es in dieser Hinsicht einer gewissen Vertraulichkeit bedarf.

Matthias Beermann stellte die Fragen.

(bee)
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